Energiepolitik:Ampel-Koalition streitet über Nord Stream 2

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Am Fährhafen Sassnitz werden Rohre für Nord Stream 2 gelagert. (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Die Minister Habeck und Baerbock stellen das Pipeline-Projekt zur Disposition - ganz anders als Kanzler Scholz. Damit tritt der erste außenpolitische Konflikt in der neuen Bundesregierung offen zu Tage.

Von Daniel Brössler, Berlin

Mit der Einstufung der umstrittenen deutsch-russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als reines Wirtschaftsprojekt hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen grünen Koalitionspartner gegen sich aufgebracht. "Gerade jetzt Nord Stream 2 als reines Energieprojekt zu verniedlichen, ist falsch in der Sache und irritiert unsere engsten Partner", sagte der Außenpolitiker und Kandidat für den Grünen-Vorsitz Omid Nouripour der Süddeutschen Zeitung. "Wir sollten diesem fossilen Spalter Europas angesichts eines drohenden Einmarschs russischer Streitkräfte in die Ukraine nicht auch noch einen Freifahrtschein ausstellen", forderte Nouripour. Damit tritt der erste außenpolitische Konflikt in der neuen Bundesregierung offen zu Tage.

Angebahnt hatte sich der Streit schon vergangene Woche mit höchst unterschiedlichen Äußerungen von Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Scholz hatte Nord Stream 2 beim EU-Gipfel in Brüssel ein "privatwirtschaftliches Vorhaben" genannt, das nur noch in einer "Teilfrage" auf die Vereinbarkeit mit europäischem Energierecht überprüft werden müsse. Darüber entscheide "ganz unpolitisch eine Behörde in Deutschland". Gemeint ist die Bundesnetzagentur, die derzeit ein laufendes Zertifizierungsverfahren ausgesetzt hat. Baerbock hatte hingegen betont, dass "nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt" werden könne, weil sie Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfülle und Sicherheitsfragen "ohnehin noch im Raum stehen". Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine könne es "keine Denkverbote" geben.

Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner bekräftigte am Montag die Linie des Kanzlers. Bei Nord Stream 2 handele es sich "um ein privatwirtschaftliches Vorhaben, das weitgehend abgeschlossen ist". Nun sei von der Bundesnetzagentur nur noch die Einhaltung europäischer Vorgaben zu prüfen. "Das ist ein Verwaltungsverfahren, das jetzt nach Recht und Gesetz abgeschlossen wird und es hat keine politische Dimension", sagte er. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Habeck betonte hingegen: "Es ist auch ein Projekt mit geopolitischen Implikationen." Auf diese Position war in der vorherigen Regierung auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeschwenkt, nachdem sie zuvor Nord Stream 2 lange als rein privatwirtschaftliches Vorhaben eingestuft hatte.

Zum Ärger der Grünen scheint Scholz nun hinter die Position Merkels zurückzufallen. Sie halten die Sorgen der Ukraine für berechtigt, die fürchtet, die bestehende Pipeline durch ihr Territorium könnte überflüssig werden. Dadurch würde das Land nicht nur Transitgebühren verlieren, sondern zudem gegenüber Russland geschwächt. Davor warnen auch die USA. Allerdings gibt der Koalitionsvertrag den Grünen keine unmittelbare Handhabe. Dort heißt es lediglich: "Für energiepolitische Projekte auch in Deutschland gilt das europäische Energierecht." Aus Sicht von Scholz muss darüber ausschließlich die Bundesnetzagentur entscheiden.

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