Amerikanische Informationen für deutsche Geheimdienste:Geheimnisse ohne Fußnoten

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Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, in Berlin bei der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages (Foto: dpa)

Sieben Anschläge seien dank Prism in Deutschland verhindert worden, betont Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Allerdings habe es bei manchen auch nur einen Anfangsverdacht gegeben. Wie zuverlässig die Hinweise der US-Dienste wirklich sind und woher sie stammen, können deutsche Behörden jedoch kaum abschätzen.

Von Hans Leyendecker

Auch ein Verfassungsschutzpräsident ist manchmal nur Zeuge vom Hörensagen. Ob das, was er berichtet, stimmt oder nicht, ist dann Glaubenssache.

Am Mittwoch trug Hans-Georg Maaßen, der seit vorigem Sommer Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist, im Innenausschuss des Bundestages den Abgeordneten Neues zu dem amerikanischen Programm Prism vor. Sieben Anschläge, so wurde nach dem Vortrag gemeldet, seien dank Prism verhindert worden. Beeindruckend sei gewesen, berichteten Teilnehmer der Sondersitzung, dass Maaßen en détail die Fälle vorgetragen habe: Verdächtiger, Name, Ort, Zeit.

Der bekannteste Fall betraf die Düsseldorfer Zelle, über die zurzeit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wird. Ermittler hatten 2011 in Düsseldorf und Bochum vier mutmaßliche Terroristen festgenommen, die angeblich in Deutschland einen Sprengstoffanschlag geplant hatten. Sie sollen aber kein konkretes Ziel gehabt haben. Einer der Angeklagten, ein Marokkaner, soll in einem Ausbildungslager im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet den Auftrag erhalten haben. Andere Fälle, die in der Sitzung genannt wurden, waren weniger spektakulär. Es hatte Hinweise gegeben, da könnte was passieren. Das Übliche. In einem Fall soll es um die Ausreise eines bekannten Islamisten gegangen sein.

Zusammenarbeit ist keine Sensation

Strafrechtlich hatten die meisten Fälle keine Konsequenzen. Mancher Verdacht soll eher ein Anfangsverdacht gewesen sein, aber "soll man abwarten, bis etwas passiert?", fragt ein Abgeordneter.

Zu allen sieben Fällen soll es Unterlagen deutscher Sicherheitsdienste geben, und in der Tat sollen die Behörden in diesen Fällen Angaben von US-Diensten erhalten haben. Es waren allerdings keine Rohdaten und deshalb ist für deutsche Nachrichtendienstler nicht ersichtlich, aus welchen Quellen der Partnerdienst sein Wissen geschöpft hat.

Ein Insider einer deutschen Behörde, der die Umstände ziemlich gut kennt, verweist darauf, dass in einigen ihm bekannten Fällen die Informationen der US-Dienste mit deutschen Informationen übereingestimmt hätten. Es gebe "eben ganz selten nur die eine Quelle", sagt er. Dass ein Verfassungsschutzpräsident den Angaben der Partnerdienste vertraut, ist keine Sensation - das ist in Deutschland seit Jahrzehnten die Geschäftsgrundlage. Es gibt eine lange Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und deutschen Diensten. Das Material, das von den Amerikanern weitergereicht wurde, soll aus einer Clearingstelle der diversen US-Geheimdienste in Deutschland stammen. Sie bestimmt offenbar, wer was wann bekommt.

Aber darf man wirklich darauf vertrauen, dass der US-Apparat angesichts der hitzigen Prism-Diskussion jetzt Quellenfragen ehrlich beantwortet? "Wenn ich ihnen misstraue," sagt ein hochrangiger Sicherheitsexperte, "brauche ich die Amerikaner erst gar nicht um Aufklärung zu bitten."

NSA-Überwachungspraxis
:Kongressabgeordnete sauer - aber nicht über Prism

Bei einer Anhörung vor dem US-Kongress gibt der stellvertretende NSA-Chef Inglis zu, dass die Analyse der Verbindungsdaten weiter geht als bislang geglaubt. Die Abgeordneten reagieren auf die Sammelwut inzwischen äußerst gereizt, greifen Regierung und Geheimdienste an. Gute Nachrichten für potenziell Überwachte? Nur, wenn sie in Amerika leben.

Von Johannes Kuhn

Das ist richtig, aber fürs Misstrauen gibt es auch Gründe. Eingebrannt ins Gedächtnis hat sich der 5. Februar 2003. Das war der Tag, an dem der damalige US-Außenminister Colin Powell seine Rede vor den UN hielt, um andere Nationen auf Kurs zu bringen. Sie sollten mit den Amerikanern in den Irak-Krieg ziehen. Powell betonte, dass er mit allen den US-Diensten zugänglichen Informationen versorgt worden war. Er kannte, anders als jetzt die Deutschen, auch das Zustandekommen der Informationen und die Quellen.

Schlechte Erinnerungen an Powell

Powell trug damals 28 Anklagepunkte gegen das Regime des damaligen Machthabers Saddam Hussein vor. Demnach verfügte der Irak angeblich über Massenvernichtungswaffen und arbeitete mit al-Qaida zusammen. Hundert bis 500 Tonnen chemischer Kampfstoffe seien im Irak versteckt. Saddam versuche, sich Material für den Bau von Atombomben zu besorgen, es gebe Hinweise auf Biowaffen und der Irak bastele an Raketen: "Das Material, das ich Ihnen heute vorlege, stammt aus unterschiedlichen Quellen", sagte Powell voller Lob.

Es seien zum Teil amerikanische Quellen, zum Teil die Quellen anderer Länder. Einige von ihnen seien technischer Art, wie die abgehörten Telefongespräche. Bei anderen seien es Menschen, die ihr Leben riskiert hätten, damit die Welt erfahre, was Saddam wirklich vorhabe. Alle Informationen stammten aus "zuverlässigen Quellen". Bei der UN-Sitzung war auf Powells Wunsch auch der damalige CIA-Chef George Tenet anwesend. Doch nach dem Krieg hielt keiner der vielen Punkte einer Prüfung stand, es stimmte nichts.

© SZ vom 19.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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