Akademikerball in Wien:Vermummungsverbot, Sperrzonen und 2000 Polizisten

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Demonstranten vor der Hofburg in Wien im Jahr 2013. Auch in diesem Jahr werden Proteste gegen den Akademikerball der FPÖ erwartet. (Foto: Herbert P. Oczeret/dpa)

Der Akademikerball ist der mit Abstand umstrittenste Ball Österreichs. Rechte und Rechtsextreme aus ganz Europa treffen sich in Wien. Kommt es in diesem Jahr zu Ausschreitungen? Und wie geht es bei dem Ball in der Hofburg eigentlich wirklich zu? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Ruth Eisenreich, Wien

Kalt soll es in Wien werden, unter null Grad werden erwartet. Aber wer es wagt, sich deswegen seinen Schal oder seine Mütze etwas weiter ins Gesicht zu ziehen, der könnte Probleme mit der Polizei bekommen. Das befürchten jedenfalls viele Wiener, denn die Polizei hat von 16.30 Uhr bis 3 Uhr früh für sämtliche Innenbezirke ein "Vermummungsverbot" erlassen. Wer in diesem Zeitraum seine "Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllt oder verbirgt, um ihre Wiedererkennung zu verhindern" oder wer "Gegenstände mit sich führt, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern", könnte demnach im schlimmsten Fall für zwei Wochen ins Gefängnis wandern. Wer etwa in die Nationalbibliothek will, hat überhaupt Pech gehabt: Die liegt nämlich innerhalb der Sperrzone, die einen großen Teil der Wiener Altstadt umfasst. Selbst Journalisten dürfen diesen Bereich nur in einem halbstündigen Zeitfenster und in Begleitung eines Polizeipressesprechers betreten. 2000 Polizisten sollen heute Nacht in Wien im Einsatz sein. Der Grund für diese Maßnahmen: Der "Wiener Akademikerball", der heute um 21 Uhr in der Hofburg beginnt.

Vermummungsverbot, Sperrzonen und 2000 Polizisten wegen eines Balls?

Der Akademikerball ist der mit Abstand umstrittenste unter allen Wiener Bällen. Anders als der Name vermuten lässt, wird er nämlich nicht etwa von einer Universität organisiert, sondern von einer Partei: von der Wiener Landesgruppe der rechtsgerichteten FPÖ. Wie jedes Jahr sind auch für heute Großdemonstrationen gegen den Ball angekündigt, und die Polizei fürchtet um die Sicherheit der Ballgäste.

Warum stören sich so viele Menschen am Akademikerball?

Der Ball gilt als Treffpunkt für Rechte und Rechtsextreme aus ganz Europa. Bis vor zwei Jahren hieß er "Ball des Wiener Korporationsrings" (WKR-Ball) und wurde von ebenjenem WKR ausgerichtet, von einem Zusammenschluss mehrerer, besonders weit rechts stehender, schlagender Burschenschaften. Und er findet ausgerechnet in der Hofburg statt, in der ehemaligen Residenz der Habsburger, von deren Balkon Adolf Hitler den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich verkündete und in der heute unter anderem die Nationalbibliothek und der Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten untergebracht sind. Nach besonders heftigen Protesten im Jahr 2012 - damals fand der WKR-Ball ausgerechnet am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, statt - kündigte die Betreibergesellschaft der Veranstaltungssäle in der Hofburg an, die Räume in Zukunft nicht mehr an den WKR zu vermieten. Im Jahr darauf stand aber plötzlich der erste Wiener Akademikerball der FPÖ im Ballkalender. Für Kritiker ist die Umbenennung bloße Maskerade, und wer etwa die Website wkr-ball.at ansteuert, wird automatisch zu wiener-akademikerball.at weitergeleitet.

Ist das Vorgehen der Polizei berechtigt?

Wäre gar keine Polizei vor Ort, Zusammenstöße zwischen Ballbesuchern und Demonstranten wären wohl unvermeidlich. Kritisiert wird allerdings das Ausmaß der Polizeiaktion: In den sozialen Netzwerken kursieren Pläne, die zeigen sollen, dass die heutige Sperrzone größer ist als jene, die beim Besuch des damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Jahr 2006 galt. Auch eine für den Heldenplatz vor der Hofburg geplante Kundgebung des Bündnisses "Jetzt Zeichen setzen", die nicht nur von den Grünen, der Sozialistischen Jugend, der Österreichischen Hochschülerschaft und diversen NGOs, sondern auch von Holocaustüberlebenden unterstützt wird, musste abgesagt werden - die Polizei hatte alternative Veranstaltungsorte angeboten, die den Veranstaltern aber zu unsicher waren. Dass das Platzverbot sogar für Journalisten mit Presseausweis gilt, wird als "Anschlag auf die Pressefreiheit" kritisiert. Das Vermummungsverbot erstreckt sich auf einen großen Teil des Wiener Stadtgebietes und umfasst noch Bereiche, die mehrere Kilometer von der Hofburg entfernt sind - pure Schikane, finden viele Wiener. Viele Bürger, aber auch Journalisten und Parlamentsabgeordnete posten aus Protest Fotos auf Facebook und Twitter, auf denen sie mit über das Gesicht gezogenen Schals und Mützen zu sehen sind.

Wird es Ausschreitungen geben?

In den letzten Jahren sind die Demonstrationen gegen den Akademikerball großteils friedlich verlaufen. Allerdings klagten Ballgäste über Beschimpfungen auf dem Weg in die Hofburg, Demonstranten versuchten ihnen mit Sitzblockaden den Weg zum Ball zu versperren, vereinzelt gab es auch körperliche Übergriffe. So postete die FPÖ vergangenes Jahr ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Demonstranten ein Pärchen im Balloutfit bespucken und mit Bier überschütten. Allerdings war das Paar nicht auf einem der von der Polizei freigehaltenen Wege zum Ball gekommen, sondern mitten durch die Masse der Protestierenden marschiert. Da FPÖ und Burschenschaften sich auch sonst gerne als Opfer einer "linken Hetzjagd" gerieren - so soll FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am WKR-Ball 2012 die "verfolgten" Ballgäste als "die neuen Juden" bezeichnet haben -, vermuteten viele Linke daher eine bewusste Provokation mit dem Ziel, die Demonstranten als gewaltbereite Chaoten darzustellen. Im Jahr 2012 wurde der ehemalige sozialdemokratische Abgeordnete Albrecht Konecny am Rande der Demonstration offenbar von Rechtsextremen niedergeschlagen, die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt.

Wie geht es beim Akademikerball tatsächlich zu?

"Heil Hitler"-Rufe muss man in der Hofburg nicht erwarten, und auch der Ablauf des Balls ähnelt dem anderer Bälle. Ungewöhnlich ist das Auftreten der männlichen Ballgäste - fast alle kommen in "Couleur", mit bunter Schärpe und "Deckel" (Mütze), viele jüngere Männer tragen stolz ihre frischen Schnittwunden auf der Wange zur Schau. Auf der Gästeliste stehen jedes Jahr FPÖ-Granden wie Parteiobmann Strache und der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, aber auch prominente Rechtsextreme wie der Publizist Horst Jakob Rosenkranz oder der rechtskräftig wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte ehemalige FPÖ-Abgeordnete John Gudenus. Auch Gesinnungsgenossen aus ganz Europa besuchen den Ball: Unter den bisherigen Gästen sollen Marine Le Pen vom französischen Front National, Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang und Markus Beisicht von ProNRW gewesen sein. In den Ansprachen ist viel von Heimat und Vaterland die Rede, zu später Stunde kann man auch schon mal antisemitische Tiraden und Gewaltfantasien gegenüber Demonstranten vernehmen.

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