Afghanistan:Wenn der Taxifahrer zum Taliban wird

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Dschihad mit Londoner Dialekt: Ein britischer Reporter darf eine Taliban-Gruppe begleiten - und begegnet einem Taxifahrer aus London, der drei Monate im Jahr in Afghanistan weilt und die Taliban im Kampf unterstützt.

Da staunten die Mitarbeiter der Royal Air Force nicht schlecht. Ein Spionageflugzeug, das Funk- und Telefongespräche über der südafghanischen Provinz Helmand überwachte, hatte Merkwürdiges eingefangen: In einem Gespräch zweier mutmaßlicher Taliban-Aufständischer, das überwiegend in den afghanischen Sprachen Dari und Paschtu geführt wurde, vernahmen die britischen Abhörexperten plötzlich auch heimatliche Mundart. Die Kämpfer wechselten immer wieder ins Englische, wenn ihnen die Worte fehlten, und sie sprachen mit erkennbarem Einschlag: breitester Yorkshire- und Birmingham-Akzent.

Auch wenn die Nato offiziell von "Taliban-Touristen" kaum etwas zu wissen vorgibt: Es scheint sie zu geben. Ghaith Abdul-Ahad, der sich für den Londoner Guardian einer Taliban-Gruppe anschloss und eine Reportage über seine Erlebnisse schrieb, hat einen solchen im nordafghanischen Dhani-Ghorri getroffen. "Ich arbeite als Taxifahrer", gibt der Kämpfer in passablem Englisch, in diesem Fall mit leichtem Londoner Akzent, zu Protokoll. Neun Monate arbeitet der Ost-Londoner mit afghanischen Wurzeln in der englischen Hauptstadt und verdient "gutes Geld". Die restlichen drei Monate schließt er sich den Taliban in seiner Heimat an. "Diese Leute hier sind meine Freunde, sie sind mein Volk, und es ist meine Pflicht, hier mit ihnen im Dschihad zu kämpfen."

Es gebe viele wie ihn in London, gibt der Taxifahrer zu Protokoll. "Wir sammeln das ganze Jahr über Geld für den Dschihad und kommen zum kämpfen, wenn wir können."

Die Briten nahmen die Aufzeichnungen der englischen Dialekt sprechenden Taliban ernst. In der Hoffnung, sie auch nach der Rückkehr nach Großbritannien ausfindig zu machen, war ein Spionageflugzeug auch über England aktiv, um die Stimmen ausfindig zu machen.

Ghaith Abdul-Ahad traf während seines Aufenthalts in Afghanistan nicht nur den Taxifahrer aus London. Dessen ältester Bruder, ein Kleriker, lebt in London. Seine zwei jüngeren Brüder leben in Dubai und Norwegen.

Offizielle Zahlen über heimatverbundene Kämpfer, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan reisen und sich dem Krieg anschließen, gibt es freilich nicht. Islamisten wie John Walker Lindh, der amerikanische Taliban, oder Eric Breininger, der Deutsche Mudschaheddin, sind und bleiben aber die Ausnahme, wenn man den Aussagen afghanischer Behörden glauben kann. Ein Mitarbeiter des afghanischen Geheimdienstes gab an, bei den wenigen ausländischen Taliban handle es sich vor allem um Araber, Tschetschenen, Pakistanis, Tadschiken oder Usbeken. Die überwältigende Mehrheit sei afghanisch.

Die Begegnungen des Reporters werfen die Frage auf, wie einfach es für kampfbereite Islamisten eigentlich ist, sich dem Kampf gegen Nato oder afghanische Polizei anzuschließen.

Jonathan Evans, Generaldirektor des britischen Geheimdienstes MI5, warnte davor, dass britische Muslime immer wieder nach Afghanistan oder Pakistan reisen, dort eine Ausbildung in Terror-Lagern absolvieren - und ihre neu erlernten Fähigkeiten dann gleich vor Ort, aber auch in der neuen Heimat anzuwenden.

Auch jene "Homegrown Terrorists", die im Jahre 2005 die tödlichen Anschläge in London verübt hatten, waren zuvor in Pakistan ausgebildet worden.

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