Afghanistan-Konferenz:Die Londoner Krücke

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Die Konferenz von London soll angesichts der wachsenden Zweifel am Afghanistan-Einsatz allen Beteiligten Mut machen. Indes: Afghanistans Schicksal wird nicht auf Konferenzen entschieden.

Stefan Kornelius

Wenn Konferenzen über das Schicksal von Afghanistan entschieden hätten, dann wäre das Land schon lange ein Hort des Friedens, eine Oase der Prosperität und der Nährboden für ein friedfertiges Gemeinwesen. Die Zahl der Afghanistan-Konferenzen nicht erst seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 ist legendär - Treffen zur großen Strategie, Nachbarschaftskonferenzen, Geberkonferenzen, Truppensteller-Konferenzen.

Eine Familie läuft in der Provinz Kandahar über ein Feld. Im Hintergrund ist ein kanadischer Panzer zu sehen. (Foto: Foto: AP)

Und alle waren überfrachtet mit Erwartungen: Großartige, frische Strategien sollten geschrieben werden, ein Neustart oder der Richtungswechsel wurden ausgerufen. Das Bläh-Vokabular der internationalen Diplomatie kennt genügend Worthülsen, in die man den Konferenzzirkus kleiden kann.

Zweifel an Erfolg und Sinn des Einsatzes

Indes: Afghanistans Schicksal wird nicht auf Konferenzen entschieden. Vielleicht ist es gar Afghanistans Schicksal, dass es zu viele Konferenzen gab, die irrelevant waren für das Land. Wenn also an diesem Donnerstag in London die 43 Patronats-Mächte mit dem afghanischen Präsidenten einmal mehr Schicksalsfragen wälzen, dann wird diese Tradition erst einmal fortgesetzt.

Das Treffen in London wurde einberufen, weil die Zweifel am Erfolg und gar am Sinn des Einsatzes in den 43 Truppen stellenden Nationen wachsen. Der öffentliche Rückhalt schwindet, und ohne die Unterstützung der Wähler kann keine Demokratie Krieg in einem fremden Land führen. Die Konferenz von London wurde daher vor allem von europäischen Nationen gewünscht, besonders von Deutschland und Großbritannien, weil dort der Unmut groß ist und Premierminister Gordon Brown Wahlen ins Haus stehen.

Aus eigener Kraft würden es aber auch andere Regierungen kaum mehr schaffen, ihrem Land eine letzte Pflichtübung für Afghanistan abzuverlangen. Dafür braucht es den scheinbar von außen erzeugten Druck - durch eine internationale Konferenz. Keiner will dafür verantwortlich sein, dass die Initiative scheitert.

Im Video: Die Londoner Afghanistan-Konferenz soll nach den Worten von Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Wende in den internationalen Bemühungen um das Land bringen.

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So nutzte die Bundesregierung die Vorbereitung auf London als Hebel, um sich aus innenpolitischen Zwängen zu lösen. Ohne die Konferenz hätte die Koalition in Berlin nicht die Dynamik entfalten können, die zuletzt zu dem Beschluss über eine moderate Truppenerhöhung geführt hat. Ohne London hätte die SPD längst ihre eigene Verantwortung für den Einsatz ignorieren und das Thema Afghanistan allein für die innenpolitische Auseinandersetzung nutzen können. Ohne London (und auch ohne das Bombardement von Kundus) hätte das Land nicht so intensiv über Krieg, Völkerrecht, Sinn und Zweck des Einsatzes diskutiert, wie das in den letzten Wochen geschehen ist. Darin liegt also der primäre Nutzen dieser Konferenz.

Wer genau hinschaut, wird dann schnell feststellen, dass jede zusätzliche Deutung der Veranstaltung nicht viel weiter führt. In London wird keine neue Strategie beschlossen - überhaupt werden gerade für Afghanistan inflationär viele Strategien erfunden, weshalb man besser von taktischen Zuckungen sprechen sollte.

In London wird auch nicht über den Frieden mit den Taliban oder über die Wirkkraft der afghanischen Regierung entschieden. London ist eine politische Krücke, mit der sich die Verbündeten gegenseitig stützen - eine Selbstvergewisserungsübung, die allen Beteiligten Mut machen soll für die finale Phase dieser Intervention.

Wichtiger als London sind jetzt Washington und Kabul. In Washington fällt die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg der Mission, dort wurde der Einsatz vor neun Jahren beschlossen, dort wird auch sein Ende besiegelt. Die Regierung von Barack Obama und ihre Vorgänger waren immer schon Herren des Verfahrens. Die USA haben 74.000 Soldaten nach Afghanistan entsandt, in diesem Jahr kommen noch 30.000 hinzu.

Amerikas Ziel

Das von der Nato geführte Isaf-Unternehmen ist längst zu einer amerikanischen Unternehmung geworden, die Verbündeten halten nicht Schritt mit der Dynamik der US-Streitkräfte. Im Einsatzgebiet der Deutschen werden die USA demnächst 5000 eigene Soldaten stationieren - annähernd so viele, wie die Bundeswehr dort hat. Eine deutlichere Unmutsbekundung ist kaum denkbar.

Für den Erfolg der Mission ist also bedeutend, was die USA tun und lassen. Obama hat seine Politik am 1. Dezember in Westpoint formuliert. Haftengeblieben sind vor allem die vorsichtige Andeutung eines Abzugsbeginns und eine Verhandlungsofferte an die Taliban. Beides zeugt vom Charakter der nun beginnenden letzten Phase in Afghanistan: Die internationale Gemeinschaft wird defensiv agieren und unter dem Druck der eigenen Wähler den halbwegs ehrenhaften Abzug anstreben. Das ist Amerikas Ziel.

In Kabul wird unterdessen über den Umgang mit den Taliban entschieden. Das ist Präsident Karsais Aufgabe. Er kann sich nicht länger auf den dauerhaften Schutz durch die Ausländer verlassen. Also muss er den inneren Frieden suchen, schon allein, um sein eigenes Leben zu retten. Er wird die Taliban einbinden, das Land ein wenig stärker dem Islamismus preisgeben und, wenn er Glück hat, die Taliban glaubhaft und dauerhaft von al-Qaida trennen. Mehr wird nicht möglich sein in Afghanistan.

© SZ vom 28.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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