Das ist passiert
Eine Klinik der Organisation Ärzte ohne Grenzen in der afghanischen Stadt Kundus wurde aus der Luft bombardiert, offensichtlich von US-Truppen. Dabei kamen 19 Menschen ums Leben, darunter zwölf Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und sieben Patienten. Drei Opfer waren nach Angaben von Sprecherin Christiane Winje noch Kinder. Weitere 37 Menschen wurden verletzt.
Wegen des Bombardements ziehe sich die Hilfsorganisation nun aus Kundus zurück, sagte Sprecherin Kate Stegemann. Einige Mitarbeiter seien aber noch in anderen Gesundheitseinrichtungen in der Stadt tätig.
Seit dem überraschenden Taliban-Angriff auf Kundus am Montag versuchen Regierungstruppen mit Hilfe der Nato, die Stadt wieder komplett unter Kontrolle zu bekommen.
Das sagt Ärzte ohne Grenzen
Die Organisation erklärte, ihr Traumazentrum sei "bei anhaltendem Bombardement mehrfach getroffen und schwer beschädigt" worden. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass die Bombardierung durch das Bündnis der internationalen Streitkräfte erfolgt sei.
"Diese Attacke ist eine abscheuliche und schwere Verletzung internationalen humanitären Rechts", sagte der Präsident der Organisation, Meinie Nicolai, einer Mitteilung zufolge. "Wir können es nicht hinnehmen, dass dieser schreckliche Verlust von Menschenleben einfach als "Kollateralschaden" abgetan wird."
Ob aufständische Kämpfer in der Klinik gewesen seine, sagte Ärzte ohne Grenzen nicht. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich knapp 200 Menschen in der Klinik auf. Die Klinik wird ausschließlich aus Spenden finanziert und behandelt jeden - unabhängig von Herkunft oder Religion.
Die Organisation veröffentlichte Bilder von der in Flammen stehenden Klinik und den massiven Schäden. Auf einem Foto kümmern sich Ärzte in einem überfüllten kleinen Raum um verletzte Patienten und Mitarbeiter. "Die Bomben schlugen ein und dann hörten wir, wie die Maschine Kreise flog", wurde der Leiter der Mission in Nordafghanistan, Heman Nagarathnam, in einer Mitteilung zitiert. "Dann gab es eine Pause und dann schlugen noch mehr Bomben ein. Das passierte immer weiter."
Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen wurden allen Konfliktparteien die genauen Geodaten ihrer Einrichtungen vorsorglich mehrfach übermittelt, zuletzt am 29. September. Nach Beginn des Angriffs habe man zudem das amerikanische und afghanische Militär erneut kontaktiert; dennoch habe das Bombardement noch mehr als 30 Minuten angehalten.
Das sagen die USA
US-Militärsprecher Brian Tribus erklärte, ein US-Luftangriff auf Kundus um 2.15 Uhr "könnte zu Kollateralschaden in einer nahen medizinischen Einrichtung geführt haben". Verteidigungsminister Ashton Carter erklärte, eine Untersuchung sei im Gange. Seinen Angaben zufolge waren US-Truppen, die afghanische Sicherheitskräfte unterstützten, in der Nähe im Einsatz gewesen - und auch Taliban-Kämpfer "Während wir noch herauszufinden versuchen, was genau passiert ist, möchte ich allen Betroffenen sagen, dass ich ihnen meine Gedanken und Gebete widme", hieß es in einer schriftlichen Mitteilung.
Auch Präsident Barack Obama bekundete den Hinterbliebenen sein Beileid. Die Ergebnisse der Untersuchung des Verteidigungsministeriums würden abgewartet, "ehe wir die Umstände dieser Tragödie abschließend beurteilen", sagte der US-Präsident laut einer Mitteilung des Weißen Hauses.
Das sagen die afghanischen Behörden
Das afghanische Verteidigungsministerium erklärte, bewaffnete "Terroristen" hätten das Klinikgelände betreten und "die Gebäude und die Menschen im Innern als Schutzschild" benutzt, während sie auf Sicherheitskräfte gefeuert hätten. Innenministeriumssprecher Sedik Sedikki sagte, zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich in der Klinik zehn bis 15 "Terroristen" versteckt. "Alle Terroristen wurden getötet, aber wir haben auch Ärzte verloren", sagte er.
Sabiullah Mudschahid, Sprecher der islamistischen Taliban, teilte hingegen mit: "Keiner unserer Kämpfer war zum Zeitpunkt des Angriffs ein Patient der Klinik."
Das sagt die UN
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, sagte, sollte eine Untersuchung ergeben, dass das Krankenhaus absichtlich ins Visier genommen wurde, könnte der Vorfall ein Kriegsverbrechen darstellen. Er nannte den Zwischenfall "tragisch, unentschuldbar und womöglich sogar kriminell". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drang auf eine rasche, umfassende und unvoreingenommene Untersuchung.