Die Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten reißen nicht ab, sie werden aber immer kleiner, immer kleinlicher, immer kleinkarierter. Sie werden dem Mann, dem man diese Vorwürfe macht, immer ähnlicher. Gestern hieß es anklagend, Christian Wulff habe sich aufs Oktoberfest einladen lassen. Morgen wird es heißen, er habe dort den Bierkrug besser eingeschenkt bekommen als andere. Die Debatte wird so medioker wie die Rolle, die der Präsident in der Kreditaffäre spielt.

Die wachsende Selbstgefälligkeit der Wulff-Debatte verstellt den Blick auf die Kernfrage der Affäre Wulff: Wie eng dürfen die Beziehungen zwischen Politikern und Unternehmern sein, wie privat darf das Politische werden? Die Antwort darauf findet man nicht unbedingt nur in der Business-Class eines Flugzeugs oder auf dem Oktoberfest (wohin nicht wenige Kritiker sich auch gerne einladen lassen).
Viele betrachten es als Beleidigung, dass der Präsident ihre vielen Fragen nicht schnell und nicht öffentlich genug beantwortet. In diese entwürdigende Situation hat Wulff sich aber selber gebracht; Mitleid muss man da nicht haben. Etliche publizistische Kritiker wollen sich auch nicht damit abfinden, dass der Präsident sich am Amt festhält; das freilich ist Hybris. Weil er vorerst nicht zurücktritt, treten sie nach. Die Nachtreterei soll das Abwahlverfahren ersetzen, das es gegen Bürgermeister, aber nicht gegen Bundespräsidenten gibt.
Gewiss: Dieser Bundespräsident entspricht in vielerlei Hinsicht nicht den Erwartungen. Das ist bedauerlich, das ist ein Unglück - aber ein Staatsnotstand ist es nicht. Die deutsche Demokratie wird an Bundespräsident Wulff nicht mehr viel Freude haben; sie wird aber auch nicht zuschanden werden.