Es klingt wie der Dialog zwischen guten Bekannten: "Einen schönen Sonntagabend noch!", steht da. "Wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie auch", kommt als Antwort. Das Gespräch zieht sich über Tage. Man wünscht sich "gute Nacht", versucht sich gegenseitig zu bestärken. Die vertraulichen Worte sorgen derzeit in der sächsischen Stadt Bautzen für Ärger. Denn es handelt sich hier eigentlich nicht um gute Bekannte, sondern um den stellvertretenden Landrat und CDU-Politiker Udo Witschas und den Rechtsextremisten Marco Wruck. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat um zügige Aufklärung in der Affäre gebeten. Immerhin ist Bautzen sein Kreisverband.
Das Bekanntwerden der Chatverläufe, die auch der SZ in Teilen vorliegen, belastet die ohnehin angespannte Atmosphäre in der Stadt. Ein Jahr sind die Krawalle auf dem Kornmarkt her. Damals hatten Rechtsextreme Flüchtlinge durch die Stadt gejagt. Linke nahmen wiederum die Rechtsextremen ins Visier, die Polizei war überfordert mit der Situation. Heidenau, Clausnitz - Bautzen. Die Stadt reihte sich ein in eine unrühmliche Liste von Orten, an denen es zu heftigen rechtsextremen Übergriffen gekommen war.
Vertrauliches Gespräch bei Facebook
Ende Juli 2017 kam es auf dem Kornmarkt erneut zu Auseinandersetzungen. Diesmal geriet auch die Polizei ins Visier. Die Beamten sollen einen festgenommenen Flüchtling als "Wichser" beschimpft und mit "deutscher Härte" gedroht haben. Im Zuge des Vorfalls traf sich der stellvertretende Landrat Udo Witschas mit Marco Wruck, dem damaligen Kreischef der NPD, zum dreistündigen Gespräch.
Wruck scheint ein gefragter Gesprächspartner in der Stadt zu sein, dabei sitzt die NPD nicht mal im Kreistag. Auch SPD-Bürgermeister Alexander Ahrens, der seiner Stadt ein rechtes Problem bescheinigt, hatte sich vor Monaten mit Wruck getroffen. Bezeichnete ihn jedoch jüngst als "Idioten", "unfähig zu einem vernünftigen Dialog". Witschas Chef, Landrat Michael Harig, ebenfalls CDU, sprach nach einem Gespräch mit Wruck Ende 2016 dagegen von einer "vernünftigen und sachlichen Atmosphäre".
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Udo Witschas hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass das jüngste Gesprächsangebot von Wruck ausgegangen sei. Doch die veröffentlichten Chatverläufe, deren Echtheit Witschas bestätigte, lassen auch eine andere Interpretation zu. Der stellvertretende Landrat hatte der Frau von Wruck eine Freundschaftsanfrage geschickt, woraufhin sich ein Dialog im Nachrichtendienst von Facebook entspann. Über sie kam dann auch der Kontakt zu Wruck selbst zustande.
Witschas hatte nach den Vorfällen auf dem Kornmarkt allen demokratischen Parteien und Netzwerken einen sachlichen Dialog angeboten. Wrucks Frau weist Witschas in einer Nachricht darauf hin, dass ihr Mann definitiv Interesse am Gespräch hätte. "Mit Herrn Wruck würde ich mich gern mal treffen, habe überhaupt nichts gegen ihn. Kinderlieb scheinen wir ja beide zu sein, ich hab grad vier am Abendbrottisch sitzen gehabt", antwortet Witschas. Schließlich schreibt ihm der NPD-Mann direkt über das Profil seiner Frau. Daraufhin kommt der Termin Anfang August zustande.
Anschließend dankt Witschas Wruck für einen Text, den er auf seiner Facebook-Seite zu dem Treffen veröffentlichte. Darin lässt es Wruck so aussehen, als hätten die beiden gemeinsam an Lösungen für die aktuelle Situation gearbeitet.
Nach dem Treffen tauschen sich Wruck und Witschas weiterhin über Facebook aus. Der Landrats-Vize informiert den Rechtsextremen vorab über ein Verbot für einen stadtbekannten Mehrfachintensivtäter, der unter dem Namen "King Abode" bekannt wurde. Der Flüchtling aus Libyen darf die Stadt vorerst nicht mehr betreten. "Super. Kann ich das veröffentlichen? Das Betretungsverbot?", fragt Wruck. Witschas bremst ihn, er habe das noch nicht auf dem Tisch.
Nun fordern Politiker im Kreistag aber auch auf Landesebene Witschas Rücktritt. Flüchtlingsinitiativen kündigten an, die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt in bestimmten Bereichen einzustellen. Der jüngst aus dem Urlaub zurück gekehrte Landrat Michael Harig hatte für Montagabend die Fraktionsvorsitzenden eingeladen. Witschas bekam Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Nach Aussagen von Teilnehmern entschuldigte er sich dafür, Schaden angerichtet zu haben. Den vertraulichen Ton nannte er einen Fehler. Er habe die Lage beruhigen und weitere Vorfälle verhindern wollen.
"Politische Blödheit hoch drei"
Die CDU-Fraktion stehe grundsätzlich hinter Witschas, sagt deren Vorsitzender Matthias Grahl. Er kenne den Vize-Landrat seit Jahrzehnten und glaube nicht an eine rechte Gesinnung. Witschas habe Einfluss nehmen wollen, nicht auf Wruck selbst, aber "auf die, die hinter ihm stehen", sagt Grahl. Die noch nicht so radikalisiert seien. Gemeint sind die fast 30 000 Follower von Wrucks Facebook-Seite. Auf dem passenden Logo im Profilbild steht: "Ja zum Abstammungsprinzip. Ja zum Deutschen Volk".
Wruck teilt auf der Seite vor allem Medienberichte über Straftaten von Asylbewerbern sowie Terroranschläge. Aber auch Inhalte der rechtsextremen NPD oder eine Ankündigung für die Neonazikonzerte im thüringischen Themar finden sich dort. Und eben einen Text, der suggerieren sollte, dass die CDU und die Rechtsextremen in Bautzen an einem Strang ziehen.
Das Ansinnen an sich - also auch mit den Rechten zu reden - findet Grahl nicht falsch. Die Umsetzung nennt er "blauäugig". "Politische Blödheit hoch drei", mit diesen Worten kommentiert Gerhard Lemm Witschas' Vorgehen. Der Fraktionsvorsitzende von SPD und Grünen hat grundsätzlich nichts dagegen, wenn man auch mit Rechten redet. Man dürfe sich dem nicht verweigern. Allerdings käme es auf die Personen an. "Bei Herrn Wruck halte ich die Erreichbarkeit für nicht gegeben." Es war auch Lemm, der Witschas aus diesem Grund vor dem Gespräch warnte.
Nach dem Treffen am Montagabend sieht Landrat Michael Harig einen Rücktritt von Witschas als nicht gerechtfertigt. Allerdings entzog er ihm in Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden das Ausländeramt und damit auch den Bereich Asyl. Die Fraktionen wollen nun beraten, ob sie bei der nächsten Kreistagssitzung den Antrag einbringen, dass Witschas abberufen wird.
Allerdings hat die CDU bereits signalisiert, einen solchen Antrag nicht mittragen zu wollen. Damit bleibt Witschas vorraussichtlich im Amt.