Kampfjets am Himmel über Kairo, darunter fast leere Straßen, nur die Kaffeehäuser sind voll: Ägyptens Erfolgsfußballverein Ahli spielt gegen Sanfrecce Hiroshima. Endlich ein Duell mit klaren Regeln.
Unterdessen versucht Präsident Mohammed Mursi, sich aus der Krise zu bluffen. In der Nacht zu Sonntag erklärte er, dass er seine pharaonischen Machtbefugnisse abgibt und durch ein neues, ähnlich vages Dekret ersetzt, aber das Verfassungsreferendum wie geplant durchführen lässt. 48 Stunden vorher hatte er noch an den Dekreten festgehalten, dafür schien eine Verschiebung des Referendums möglich. Beide Varianten präsentierte er als Akt politischer Großzügigkeit.
Mit geradezu bestürzender Verbohrtheit übersah Mursi, dass die Opposition längst weiter ist, dass das Zugeständnis auf die Forderungen von gestern heute nicht mehr genug ist. Nicht, nachdem Islamisten-Milizen Protestierende festgehalten und geschlagen haben. Nachdem Salafisten Fernsehsender belagern. Nachdem Islamisten gewarnt haben, man könne "eine Million Märtyrer" in den Kampf schicken. Nicht nach diesen so vertrauten Vorwürfen an die Opposition von Unterwanderung und Verschwörung gegen Ägypten.
Für die Islamisten scheint das Ziel zum Greifen nah: Eine Woche noch, dann haben sie das Kronjuwel - die Verfassung - in Sicherheit gebracht. Mursis Dekret ist dagegen kaum mehr als Spielgeld. Noch immer scheinen sich die Islamisten erstaunlich sicher, dass sie genug Menschen zur Zustimmung für die Verfassung treiben können. In den Moscheen lassen sie bereits predigen, dass ein Nein das Seelenheil gefährde. Mancherorts verteilen sie Flugblätter. Sie wollen das religiös-politische Projekt per Verfassung absichern, während ihnen der Wind längst ins Gesicht weht.
Proteste gegen Mursi:Zwischen Panzern und Stacheldraht
In der Nacht gehen Hunderte Mursi-Gegner auf die Straße. Der Präsident hatte sich vorher in einer Rede an das Volk gewandt. Seinen Widersachern gab er die Schuld an der Gewalt. Auch am Tag danach gehen die Proteste weiter.
In der Textilstadt Mahalla im Delta, bekannt für ihren aufrührerischen Geist, haben Demonstranten den Stadtrat hinausgeworfen und sich vom "Muslimbruderstaat" losgesagt. In einigen Orten soll sich die Polizei mit den Mursi-Gegnern verbündet haben, als diese Büros der Muslimbrüder abfackelten.
Seltsame Allianzen
Ägyptens Machtkampf schafft seltsame Allianzen. Erklärte Säkulare wie der Politiker Aiman Nur spielen mit Islamisten im Auftrag des Präsidenten "Nationalen Dialog". Mursi wiederum liebäugelt angeblich mit dem Kriegsrecht. Ausgerechnet er, dessen islamistische Mitstreiter unter dem Kriegsrecht in Wüstengefängnissen vegetierten, soll sich nun mit der Armee verbünden?
Die Armee, nicht die Richter, wie es das Gesetz vorsieht, könnte auch das Verfassungsreferendum überwachen, heißt es. Schließlich haben die Islamisten in ihr Grundgesetz zwar allerhand über Tugend und Moral geschrieben, aber wenig über die Kontrolle der Armee: Diese Rücksicht soll sich nun auszahlen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Islamisten versuchen, das Militär auszutricksen. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass dieser Versuch scheitert. Die Generäle sprachen dräuend von einem "dunklen Tunnel" - und schickten ihre Jets in den Himmel über Kairo.