Streit um ägyptische Verfassung:Mursi mauert sich ein, Opposition bleibt misstrauisch

Streit um ägyptische Verfassung: Ein Präsident mauert sich ein: Arbeiter errichten um den Regierungssitz in Kairo eine Mauer aus Betonelementen.

Ein Präsident mauert sich ein: Arbeiter errichten um den Regierungssitz in Kairo eine Mauer aus Betonelementen.

(Foto: AFP)

Die ägyptische Opposition nimmt dem Präsidenten sein Entgegenkommen nicht ab: Mursi hat seine Sondervollmachten annulliert, am Termin für das Verfassungsreferendum hält er aber fest. Am Nachmittag wollen Oppositionsgruppen beraten, derweil donnerten Kampfjets im Tiefflug über Kairo.

Ägyptens Opposition hat trotz der jüngsten Zugeständnisse von Präsident Mohammed Mursi angekündigt, ihre Proteste fortzusetzen. Mursi hatte am Samstag seine erst vor zwei Wochen beschlossenen Sondervollmachten wieder außer Kraft gesetzt. Die Opposition äußerte sich kritisch zu dem Kompromiss. Sie verwies darauf, dass nur die Hälfte ihrer Forderungen erfüllt seien. Chaled Dawud von der oppositionellen Nationalen Rettungsfront nannte im Nachrichtensender al-Dschasira die Rücknahme des Dekrets "relativ bedeutungslos". Stattdessen sei der wichtigste Schritt - die umstrittene Änderung der Verfassung - abgesichert. "Leider lässt uns der Präsident keine andere Option als unseren Widerstand zu steigern."

Die "Jugend-Revolutionsbewegung 6. April" kritisierte, dass der Termin für das am 15. Dezember geplante Verfassungsreferendum nicht verschoben wurde. "Wir werden unsere Proteste so lange fortsetzen, bis die Abstimmung abgesagt wird", zitierte die ägyptische Tageszeitung al-Ahram die Gruppe. Auch Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei wandte sich gegen das Referendum. Die Opposition werde den Verfassungsentwurf stoppen, "der unsere Rechte und Freiheiten unterdrückt", erklärte er.

Das liberal-säkulare Oppositionsbündnis "Nationale Heilsfront" kündigte Beratungen an, doch bezeichnete ein Mitglied die Entscheidung Mursis bereits als "politisches Manöver".

Aktivisten trotz Kompromiss misstrauisch

Auf dem Kairoer Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast kampierten Demonstranten weiter. Sie befürchten, dass die neue Verfassung der erste Schritt in Richtung Gottesstaat ist. Mursis Griff nach noch mehr Macht hatte das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Bei Massendemonstrationen und Krawallen kamen in den vergangenen zweieinhalb Wochen mindestens sieben Menschen ums Leben, mehr als 700 wurden verletzt.

Nach fast neunstündigen Beratungen des Staatsoberhauptes mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft im Präsidentenpalast hatte der Islam-Gelehrte Mohammed Selim al-Awa am Samstagabend erklärt, dass die Sondervollmachten für Mursi außer Kraft gesetzt worden seien. An dem Referendum hielt er aber fest: Über die umstrittene künftige Verfassung soll nach wie vor am 15. Dezember abgestimmt werden. Kritiker sehen in der Vorlage einen ersten Schritt in Richtung Gottesstaat.

Zuvor hatte Mursi seine Gegner angesichts der Massenproteste zum Dialog gebeten. Der Einladung folgten am Samstag jedoch nur wenige prominente Oppositionelle. Von den bekannten Aktivisten nahm lediglich der Liberale Eiman Nur teil. Insgesamt seien aber mehr als 50 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bei den Diskussionen zugegen gewesen, berichtete die Zeitung al-Ahram. Fast alle maßgeblichen Oppositionsführer, unter ihnen Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei, blieben dem Treffen hingegen fern.

Militär schaltet sich ein

Inmitten der Krise um die Verfassung flogen am Sonntagmittag mehrere F-16-Kampfflugzeuge in geringer Höhe über die Hauptstadt Kairo. Das Militär hatte am Samstag in seiner ersten Reaktion auf die seit mehr als zwei Wochen andauernde Krise alle Parteien zum Dialog aufgerufen. Im Streit um die künftige Verfassung müsse es einen Kompromiss geben, der im Interesse der Nation und der Menschen in dem Land ist, ließ die Armeeführung verlauten. Das gehe nur über einen Dialog. Alles andere werde Ägypten durch einen "dunklen Tunnel" in die Katastrophe führen. "Das werden wir nicht erlauben", warnte das Militär.

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