Abschiebungen:Wie Bundesbehörden an Abschiebungen beteiligt sind

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Der Bund kommt bei Abschiebungen erst am Ende ins Spiel: wenn Bundespolizisten einen Flüchtling im Flugzeug oder im Bus zurückbegleiten. (Foto: dpa)
  • Innenminister Thomas de Maizière will mehr Kompetenzen in der Sicherheitspolitik beim Bund vereinen, auch bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber.
  • Abschiebungen sind Ländersache, der Bund kommt erst in Gestalt der Bundespolizei ins Spiel, die einen Flüchtling im Flugzeug oder im Bus zurückbegleitet.
  • De Maizière schlägt "Bundesausreisezentren" vor. Vorbild könnten etwa die zwei bayerischen Rückführungseinrichtungen sein, von Flüchtlingshelfern "Abschiebelager" genannt.

Von Bernd Kastner

Abschiebung. Schon lange ist dieses Wort ein Synonym für durchgreifende Politik: Wir bringen abgelehnte Asylbewerber dorthin, wo sie hingehören, in ihre Heimat. Das CSU-geführte bayerische Innenministerium verschickt alle paar Wochen Meldungen, die dann klingen wie jene von Ende November: "Zum 49. Mal verließ heute ein Sammelcharterflug mit 56 abgelehnten Asylbewerbern an Bord den Münchner Flughafen, diesmal in Richtung Kosovo und Albanien."

Abschiebungen sind weitgehend Sache der lokalen Ausländerbehörden und Bundesländer, die entscheiden, wann ein abgelehnter Flüchtling gehen muss, und die Reise organisieren. Der Bund kommt erst am Ende ins Spiel: wenn Bundespolizisten einen Flüchtling im Flugzeug oder im Bus zurück begleiten.

Jetzt will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stärker mitmischen, will die Verantwortung während der "letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts" und schlägt "Bundesausreisezentren" vor. Offenbar hält er die Abschiebepraxis mancher Bundesländer für zu lasch. Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen stehen bei Asylhelfern im - positiven - Ruf, mehr auf freiwillige Rückkehr zu setzen, wie Maximilian Pichl von Pro Asyl berichtet.

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Die Polizisten kommen überraschend - und meistens am frühen Morgen

Etwa 25 000 Abschiebungen dürfte es im vergangenen Jahr gegeben haben. Grob zusammengefasst gibt es drei Varianten im Prozedere. Variante eins: Ein Flüchtling - oder eine ganze Familie - wird von der Polizei aus einer Gemeinschaftsunterkunft oder Wohnung geholt und in einen Bus oder Flieger gesetzt. Seit Ende 2015 werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt. Die Polizisten kommen also überraschend - und meist am frühen Morgen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, den Abzuschiebenden daheim anzutreffen, am höchsten.

Variante zwei: Flüchtlinge werden in speziellen Rückführungseinrichtungen untergebracht. Bayern etwa unterhält zwei dieser "Abschiebelager", wie Asylhelfer sie nennen: in Bamberg und Manching. Das sind im Prinzip Gemeinschaftsunterkünfte mit mehr als 1000 Plätzen, in die Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen, meist Menschen vom Westbalkan. Hier müssen sie während ihres Asylverfahrens wohnen, hier gilt verschärfte Residenzpflicht. Die Struktur dieser Einrichtungen könnte Vorbild sein für Bundesausreisezentren, wo mehrere Behörden kooperieren müssten.

Variante drei: Abschiebehaft. Wenn damit zu rechnen ist, dass ein Flüchtling untertaucht, darf der Staat ihn vorübergehend einsperren. Das Problem dabei: Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2014 dürfen Abschiebehäftlinge nicht mehr zusammen mit gewöhnlichen Gefangenen untergebracht werden, reine Abschiebegefängnisse gibt es bisher aber nur wenige. Deshalb sei die Zahl der Abschiebehäftlinge stark gesunken, so Pichl.

Egal indes, wie Bund und Länder das Prozedere organisieren: Oft sind Abschiebungen gar nicht möglich. Weil es keine Flüge gibt ins Zielland, weil Flüchtlinge nicht reisefähig sind, ihnen Folter droht oder die Identität unklar ist. Dann bekommt der Flüchtling eine Art Ausweis, grün-rosa: "Der Inhaber ist ausreisepflichtig", steht vorne drauf. 168 000 Geduldete lebten Mitte 2016 in Deutschland mit diesem Papier.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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