Abschaffung der Arbeitslager in China:Peking beugt sich der Empörung

Menschen wurden jahrelang eingesperrt, ohne jemals einen Richter zu Gesicht zu bekommen: Die Umerziehungslager sind ein Schandfleck in Chinas Justizsystem. Die Entscheidung, diese abzuschaffen, verdient Applaus. Der Schritt zeigt auch, welche Rolle die sozialen Medien mittlerweile in China spielen.

Ein Kommentar von Kai Strittmatter

Bis heute werden in Chinas Umerziehungslagern "Unschuldige verfolgt und Protestierende illegal bestraft". Die Lager "verletzen die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit".

Dass diese klaren Sätze voriges Jahr in der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zu lesen waren, einem Propagandaorgan der KP Chinas, war ein Zeichen dafür, dass die Führung den Lagern ein Ende machen wollte. Nun ist das Ende da. Es ist überfällig.

Dem Schritt muss man applaudieren. Die Lager waren einer der größten Schandflecke in Chinas Justizsystem. Die Polizei konnte dort Menschen bis zu vier Jahre lang einsperren, ohne dass sie je einen Anwalt oder einen Richter zu Gesicht bekamen. Die Abschaffung zeigt auch, welche Rolle mittlerweile die sozialen Medien spielen, auf denen sich Chinas Bürger engagiert über Themen austauschen, die früher tabu waren: Es war die Empörung über allzu offensichtliche Skandale in dem Lagersystem, die die Parteiführung zum Handeln bewegte.

Für großen Jubel ist es allerdings noch zu früh. Noch ist offen, welches System die Umerziehungslager ersetzen soll. Staatsmedien berichteten bereits, es würde an verschiedenen Orten im Land mit einem "Ersatzsystem" experimentiert, das die schlimmsten Auswüchse der Umerziehungslager vermeiden soll. Die Frage aber bleibt: Wieso braucht das Land überhaupt ein zweites Lagersystem außerhalb des offiziellen Justizapparates?

© SZ vom 16.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: