Abgeordnete sollen Abgabe zahlen:Wie viel Geld braucht ein Pirat?

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Die Piraten sind chronisch pleite - könnten da nicht ihre Abgeordneten einen Teil ihrer Diäten abgeben? Schatzmeisterin Swanhild Goetze hat ausgerechnet, wie viel Geld die Partei damit einnehmen könnte, falls sie in den Bundestag einzieht. Doch die Kalkulation ist abenteuerlich.

Hannah Beitzer und Thorsten Denkler

Die Piratenpartei hat Geldsorgen. Längst nicht jeder, der sich Pirat nennt, zahlt auch seinen Mitgliedsbeitrag. Das bringt ein paar handfeste Probleme mit sich. Die staatliche Parteienfinanzierung ist an die sonstigen Einnahmen gekoppelt und darf diese nicht übersteigen - die fehlenden Beiträge treffen die Partei also doppelt.

Immerhin rackern Vorstände und sonstige aktive Piraten ehrenamtlich. Das kostet zwar kein Geld, hat aber seinen Preis: Zahlreiche bekannte Piraten haben sich in den vergangenen Monaten wegen Überarbeitung von ihren Ämtern zurückgezogen.

Nun präsentiert Schatzmeisterin Swanhild Goetze eine Lösung, die in der Partei eine hitzige Diskussion ausgelöst hat: eine Mandatsträgerabgabe, wie sie auch die meisten anderen Parteien kennen. Goetze hat ausgerechnet, wie viel die Partei an Geld einnehmen könnte, wenn ihre zukünftigen Bundestagsabgeordneten einen Teil ihres Gehalts abgeben würden. Immer vorausgesetzt, die Piraten zögen 2013 tatsächlich in den Bundestag ein. Goetze geht von einem Stimmanteil von acht Prozent aus, dies entspräche etwa 50 Abgeordneten.

"Jeder Abgeordnete bekommt ca. 8000 Euro Diäten und 4000 Euro Aufwandsentschädigung. Das sind Beträge, von denen man gut leben kann", schreibt sie. Und setzt hohe moralische Ansprüche: " Johannes Ponader kommt nach eigenen Angaben mit 1000 Euro pro Monat aus."

Das Ende aller Geldsorgen? Wohl kaum

Ganz so knapp will sie die Abgeordneten aber nicht halten: Sie gesteht ihnen im Schnitt 5500 Euro im Monat zu - für Alleinstehende weniger, für Familienernährer mehr - und kommt so zu dem Schluss: "2500 Euro könnten dann die Mandatsträgerabgaben monatlich betragen." Bei acht Prozent Wählerstimmen, also etwa 50 Abgeordneten wären das, so rechnet Goetze weiter, 125.000 Euro insgesamt, von denen 100.000 an die Bundespartei gehen könnten, der Rest an den jeweiligen Landesverband.

Was man da alles machen könnte! Zum Beispiel den Bundesvorstand bezahlen oder Verwaltungskräfte einstellen. "Es wäre schon schick, wenn wir uns dieses Personal leisten könnten", schreibt Goetze - um gleich ein anderes Szenario zu entwerfen: "Alternativ können wir natürlich auch unseren Mitgliedsbeitrag von derzeit 48 Euro auf 192 Euro erhöhen, um bei 20.000 zahlenden Mitgliedern die gleiche Summe zur Verfügung zu haben."

Ihre Idee findet vor allem bei jenen Piraten Zuspruch, die Berufspolitikertum ablehnen und argumentieren, Geld dürfte nicht die Motivation für das Engagement sein: "Ich glaube nicht, dass Menschen für Parlamente geeignet sind, deren Unabhängigkeit erst ab einer bestimmten Diätenhöhe besteht", fasst eine Diskutantin unter einem Blogeintrag das Unbehagen der Basis zusammen.

Kommt auf die Piraten also das Ende aller Geldsorgen zu? Wohl kaum. Denn eine Kleinigkeit hat Goetze in ihrem Rechenbeispiel vergessen, wie auch sogleich empörte Parteikollegen feststellen: Abgeordnete müssen die knapp 8000 Euro, die sie an Diäten erhalten, voll versteuern. Auch Beiträge zur Krankenversicherung müssen sie zahlen. Da bleiben in Lohnsteuerklasse I etwa 4700 Euro übrig.

Zudem dienen die 4000 Euro Aufwandsentschädigung, die Goetze zu den Verdiensten rechnet, nicht dem Privatvergnügen. Davon finanzieren Abgeordnete ihre Bürgerbüros im Heimatwahlkreis, die Zweitwohnung in Berlin, Druckkosten für Informationsschriften oder auch die Betreuung der eigenen Webseiten.

Eine Mandatsträgerabgabe von 2500 Euro ist in Hinblick auf die obigen Zahlen also ganz schön happig - den Abgeordneten blieben dann noch etwa 2200 Euro übrig. Andere Parteien geben sich in der Regel mit weniger zufrieden, wenn die Höhe der Abgabe auch variiert. Dort reicht sie von wenigen hundert bis weit über 1000 Euro. Die Regel ist: kleine Parteien verlangen eher mehr, große Parteien weniger. Sie haben ja auch mehr Mandatsträger, die sie zur Kasse bitten können. Im Jahresbudget der Parteien machen diese Abgaben bis zu einem Viertel der jährlichen Einnahmen aus.

Doch obwohl es sie in allen Parteien gibt, ist die Mandatsträgerabgabe rechtlich umstritten. Offiziell darf sie nur freiwillig erfolgen, sonst wäre sie illegale Parteienfinanzierung.

Nicht zuletzt deswegen wird Kritik an Goetzes Vorschlag laut. Schließlich seien potenzielle Abgeordnete nicht auf "bezahltem Urlaub, sondern leisten (hoffentlich) gute und anstrengende politische Arbeit im Rahmen ihres Mandats. Nicht zuletzt zum Vorteil der Piratenpartei", schreibt einer.

Anmaßende Rechnungen

Die Diäten, so argumentieren viele, seien dafür da, den Abgeordneten ein unabhängiges, zufriedenstellendes Leben zu ermöglichen - so dass sie zum Beispiel "unsittliche Offerten" ohne Nachzudenken ablehnen könnten. "Verallgemeinernde Rechnungen, wer von welchem Betrag gefälligst leben zu können hat, halte ich für relativ anmaßend, noch dazu, wenn Zahlen hauptsächlich auf Annahmen beruhen", beschwert sich ein Diskutant.

Andere regen an, doch lieber endlich die ausstehenden Mitgliedsbeiträge einzutreiben: "Ordentliches Mahnwesen einführen wäre gut. Wenn alle Mitglieder ihre Beiträge wirklich zahlen, ist das Finanzloch weit kleiner. Und das könnte dann auch mit freiwilligen Spenden von Abgeordneten gestopft werden, die es ja jetzt auch schon regelmäßig gibt."

Und schließlich gibt es noch jene, die mehr Pragmatismus anmahnen - immerhin ist noch keinesfalls sicher, dass die Partei tatsächlich mit 50 Abgeordneten in den Bundestag einzieht. "Fühlt sich ein bisschen so an, als ob man das Fell von unerlegten Bären verteilt", schreibt einer. Und fragt sich: "Ist das Absicht? Oder Verzweiflung?"

Die genaue Höhe der Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete finden Sie hier. Aufgeschlüsselt werden Einnahmen und Ausgaben auch auf der Website des Bonner SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber, der als "gläserner Abgeordneter" bekannt ist.

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