Menschen auf der Berliner Mauer - solche Szenen hätte sich bis zum 9. November 1989 kaum jemand vorstellen können. Die Massenproteste im Herbst hatten zwar schon Änderungen bewirkt. Erich Honecker war am 18. Oktober vom Amt des Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED zurückgetreten. Doch nun sind plötzlich die Grenzübergänge offen, Millionen DDR-Bürger können den Westen besuchen. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist mit einem Mal kein Traum für die ferne Zukunft mehr. Ein Rückblick auf den Weg zum Mauerfall und zum geeinten Deutschland.
Eine Gedenkstätte bei Behrungen erinnert noch heute daran, dass 1989 eine Staatengrenze zwischen Thüringen und Bayern verlief. Wer sie vor 25 Jahren ohne Genehmigung überschritt, riskierte sein Leben.
Der Entwicklung in der DDR waren spektakuläre Ereignisse vorangegangen. Vor allem Ungarn spielte eine wichtige Rolle. Das Land hatte im Mai seine Grenze zu Österreich geöffnet, am 27. Juni durchtrennten der ungarische Außenminister Gyula Horn (r) und sein österreichischer Amtskollege Alois Mock (l) bei Klingenbach in einem symbolischer Akt ein Stück des ´Eisernen Vorhangs" zwischen Ost und West.
Im August 1989 begann eine Massenflucht von Hunderten DDR-Bürgern über Ungarn nach Österreich. Am 11. Sepember erlaubte Ungarn Menschen aus der DDR dann offiziell die Ausreise nach Österreich.
Am 4. September kommt es in Leipzig zur ersten Montagsdemonstration. Sie schließt sich an die seit 1981 stattfindenden Friedensgebete in der Nikolaikirche an. Die Demonstrationen finden großen Zulauf - obwohl es zu einer Verhaftungswelle kommt. Am 9. Oktober protestieren fast 100 000 Menschen in Leipzig für Veränderungen - ohne Gewalt, wie auf einem Transparent zu lesen ist (Bild).
Am 7. Oktober 1989 feiert die DDR noch ihren 40. Geburtstag. Anlässlich des Jubiläums besucht der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow Ost-Berlin und trifft sich mit DDR-Oberhaupt Erich Honecker.
Egon Krenz verkündet in der Volkskammer in Ost-Berlin am 24. Oktober 1989 mit staatsmännischer Pose eine neue Politik (die sich dann doch nicht so sehr von der bisherigen DDR-Linie unterschied). Zuvor wurde er zum neuen Staatsratsvorsitzenden und zum Chef des Nationalen Verteidigungsrates gewählt. Die SED hatte zuvor unter dem Druck der Massenproteste Erich Honecker entmachtet.
Der Bevölkerung reichen die Pläne der Regierung nicht. Nahezu eine Million Menschen strömt offiziellen Schätzungen zufolge am 4. November 1989 durch Ostberlin, viele sammeln sich auf dem Alexanderplatz. Vier Tage später tritt das DDR-Politbüro zurück.
Günter Schabowski vom Politbüro des ZK der SED und Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, gibt auf einer Pressekonferenz am 9. November fast nebenbei die Öffnung der Grenze bekannt. Um 18.53 Uhr zieht er ein Papier aus der Tasche, das er von Egon Krenz erhalten hat, und liest vor, was darauf steht: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der VPKÄ in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dabei noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen." Das gelte auch für Westberlin - und trete sofort in Kraft.
Die Pressekonferenz mit Schabowski wird live übertragen, danach informiert die Nachrichtensendung Aktuelle Kamera am Abend um 19.30 Uhr die Bevölkerung über die neuen Reiseregelungen für DDR-Bürger. Daraufhin strömen binnen weniger Stunden Tausende Ost-Berliner zu den Grenzübergängen zum Westteil der Stadt. Um 22.30 Uhr öffnet der diensthabende Chef der Grenzbeamten an der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße angesichts der Menschenmassen die Grenze. Andere Grenzer folgen. Schließlich sind alle Übergänge offen.
Am Silvestertag 1989 kommen mehrere hunderttausend Menschen aus Ost und West am Brandenburger Tor zusammen. Die Politik schreitet in den kommenden Monaten in großen Schritten auf die Wiedervereinigung zu.
Wahlkampf auf dem Erfurter Domplatz im Februar 1990: BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl unterstützt die konservative "Allianz für Deutschland" bei den DDR-Volkskammerwahlen am 18. März. Nachdem die Demonstranten während der Proteste 1989 noch "Wir sind das Volk" gerufen hatten, heißt es nun "Wir sind ein Volk".
Am 13. Juni beginnt der Abriss der Mauer: Soldaten der Grenztruppen der DDR an der Bernauer Straße in Berlin.
Nach der Währungsunion vom 1. Juli 1990 gehört das DDR-Geld der Vergangenheit an - dafür gibt es die D-Mark. Vor Bankfilialen, wie hier in Leipzig, bilden sich lange Schlagen.
Grund zur Freude liefert auch der Sport: Am 8. Juli 1990 wird die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum dritten Mal Weltmeister. Doch noch sind es nur westdeutsche Fußballer, die in Rom triumphieren.
Die Wiedervereinigung wird auf internationaler Ebene am 12. September 1990 mit dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag besiegelt: Die Außenminister der beiden deutschen Staaten, Lothar de Maizière (DDR, 2.v.r.) und Hans-Dietrich Genscher (BRD, halb von de Maiziere verdeckt) treffen in Moskau ihre Amtskollegen aus den vier Siegermächten: Roland Dumas (Frankreich, 2.v.l.), Eduard Schewardnadse (UdSSR, 3.v.l), James Baker (USA, hinter dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, m) und Douglas Hurd (Großbritannien, 1.v.r).
Mit einem Feuerwerk am Brandenburger Tor in Berlin feieren etwa eine Million Menschen in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Das Datum gilt seither als Nationalfeiertag.
Sichtlich gerührt: Kanzler Helmut Kohl und Ehefrau Hannelore mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Bundespräsident Richard von Weizsäcker (rechts) bei der Einheitsfeier.
Berlin, East Side Gallery. Wo einst die Berliner Mauer stand, werden Ballonstelen aufgestellt. Die Laternen sollen zum 25. Jahrestag des Mauerfalls als "'Lichtgrenze 2014' den Verlauf der Grenze in Berlin darstellen.
Vor dem Mauerfall und 25 Jahre danach. Blick auf das Brandenburger Tor 1988 und 2014.