Staatsfinanzen:Schäubles Opfer

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Finanzminister Schäuble hatte allen Grund, lange darauf zu bestehen, den Bundeshaushalt nicht zusätzlich zu belasten und die Solidarität der Länder einzufordern. (Foto: AP)

Die reichen Länder müssen die armen kaum mehr unterstützen. Das macht jetzt der Bund. Finanzminister Schäuble hat versäumt, sich beim Thema Finanzausgleich Verbündete zu suchen. Mit Absicht?

Kommentar von Cerstin Gammelin

Für eine Sekunde lag am Freitag die Versuchung nahe, Mitleid zu haben mit Wolfgang Schäuble. Oder an ein Missverständnis zu glauben, nachdem durchgesickert war, dass der Bundesfinanzminister, geehrt und anerkannt als Grandseigneur der CDU, sich in den Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern nahezu vollständig den Forderungen der Ministerpräsidenten gebeugt hatte.

Künftig wird der Bund immer mehr die Rolle des Finanziers finanzschwacher Länder übernehmen. Genau der Betrag, den die reichen Länder im Länderfinanzausgleich im vergangenen Jahr den ärmeren Ländern überwiesen haben, wird von 2020 an aus dem Bundeshaushalt gezahlt.

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Ohne Zweifel ist das Ergebnis aus Sicht der Ministerpräsidenten ein Erfolg. Kein Bundesland wird schlechter gestellt, gleichzeitig müssen die reicheren Länder weniger abgeben als bisher. Der Bund wird ja zahlen.

Aus Sicht des Hüters der Bundesfinanzen ist das Ergebnis geradezu niederschmetternd. Sicher, im Moment ist es kein Problem, ein paar Milliarden Euro mehr aus dem Bundeshaushalt zu zahlen. Aber wer weiß, was in fünf Jahren ist? Schon jetzt ist absehbar, dass Deutschland deutlich mehr Geld ausgeben wird, um Grenzen zu sichern, Flüchtlinge zu integrieren, digitale Investitionen voranzutreiben, Fluchtursachen zu bekämpfen. Irgendwann werden auch die Zinsen wieder steigen, und damit die Zinszahlungen des Bundes. Oder auch der Ölpreis. Das sind alles keine Geheimnisse. Ebenso wenig wie die längst sichtbaren Ungleichheiten zwischen den Regionen in Deutschland. Von ähnlichen Lebensbedingungen in Oberhausen und Jena kann keine Rede mehr sein.

Dass Schäuble nachgeben musste, hat zwei Gründe

Schäuble hatte also allen Grund, darauf zu bestehen, den Bundeshaushalt nicht zusätzlich zu belasten und die Solidarität der Länder einzufordern. Dass er am Ende so nachgeben musste, hat insbesondere zwei Gründe: seine schlechte Verhandlungsführung und die anstehenden Bundestagswahlen.

Trotz seiner Erfahrung ist es Schäuble, dem dienstältesten Regierungsmitglied, nicht gelungen, eine Allianz für einen Finanzpakt nach seinem Gusto zu schmieden. Er hat sich wenig abgesprochen, weder mit den Regierungsfraktionen noch mit den Ländern. Ganz anders Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpräsident brachte das Kunststück fertig, sich zum Sachverwalter der Interessen aller 16 Länder zu machen, egal, ob links, grün oder sozialdemokratisch regiert. Er versammelte die armen Ostländer hinter sich, das darniederliegende Nordrhein-Westfalen, das wohlhabende Baden-Württemberg und die dauersubventionierten Länder Bremen und Saarland. Seehofer hat nicht nur für Bayern gekämpft, sondern für alle. Und gewonnen.

Und zwar nicht nur bei den Finanzen: Schäuble musste letztlich klein beigeben, damit CDU und CSU endlich beginnen können, sich gemeinsam auf die kommende Bundestagswahl vorzubereiten. Der bayerische Sieg bei den Länderfinanzen war für den CSU-Chef die Voraussetzung dafür, die lauten Streitigkeiten in der Union beizulegen und mit der gemeinsamen Kanzlerkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen. So gesehen, war Schäubles Einknicken keine Niederlage. Sondern erzwungene Parteidisziplin.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Cerstin Gammelin, Berlin

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