Föderalismus:Bund zahlt Milliarden an die Länder

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Im Ringen um einen neuen Finanzausgleich setzen sich die Ministerpräsidenten durch. Die Sonderförderung Ostdeutschlands wird 2020 abgeschafft - und vor allem ein Land profitiert.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Nach jahrelangen Streitigkeiten haben sich Bundesländer und Bundesregierung am Freitag in Berlin auf einen neuen Finanzpakt geeinigt. Danach werden die reichen Länder künftig deutlich weniger Geld an ärmere Länder überweisen. Um dennoch annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen, wird der Bund von 2020 an jährlich mindestens 9,5 Milliarden Euro mehr als bisher zuschießen. Der Betrag wird jährlich angepasst. Auf den Bundeshaushalt kommen damit erhebliche Belastungen zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Einigung als "gute Nachricht für die Menschen im Land".

Der Bund hatte zuvor vergebens versucht, die Länder zu mehr Solidarität untereinander zu bewegen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) konnte die geschlossene Front aller 16 Ministerpräsidenten jedoch nicht durchbrechen. Er gab nach 14 Stunden Verhandlung am frühen Freitagmorgen im Kanzleramt den Forderungen der Länder nach. Damit wird der Bund künftig ein Drittel des Finanzausgleiches zwischen den Ländern übernehmen. Schäuble (CDU) sagte, man habe "nach langem Ringen ein befriedigendes, mindestens aber ein befriedendes Ergebnis erzielt".

Die Länderchefs zeigten sich sehr zufrieden. Sie werden künftig mehr Geld zur Verfügung haben. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte, er habe "den wichtigsten Erfolg für Bayern in meiner gesamten Laufbahn erzielt". Bayern wird 1,35 Milliarden Euro weniger in den föderalen Finanztopf zahlen. Für die ostdeutschen Länder wird es keine Sonderregeln mehr geben. Bedürftige Kommunen können über eine neu geschaffene kommunale Sonderzuweisung mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden, und zwar deutschlandweit. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), sprach von einem "psychologisch wichtigen Signal", dass ostdeutsche Länder nicht mehr als Bittsteller auftreten müssten.

Das Einknicken Schäubles war starkem politischen Druck geschuldet. CDU und CSU sind mit Blick auf die Bundestagswahl bemüht, den unionsinternen Streit der vergangenen Monate auszuräumen. In der CDU wird erwartet, dass der Erfolg Bayerns in den Finanzverhandlungen den CSU-Chef bereiter zu Kompromissen bei Wahlprogramm und Kanzlerkandidatin macht.

Ein neuer Finanzpakt ist nötig, weil die bisherigen Regelungen 2019 auslaufen. Bayern und Hessen hatten zudem 2013 beim Bundesverfassungsgericht gegen den bestehenden Finanzausgleich geklagt. Die Klage soll jetzt zurückgezogen werden. Der Finanzausgleich soll Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so ausgleichen, dass Regionen, in denen keine Konzerne oder gut verdienende Mittelständler Steuern zahlen, den Bürgern annähernd gleichwertige Lebensbedingungen bieten können. Er war umstritten, weil immer weniger finanzstarke Länder immer mehr Geld an finanzschwächere Länder überwiesen, 2015 wurden so 9,5 Milliarden Euro umverteilt. Bayern zahlte mit 5,4 Milliarden Euro mehr als die Hälfte, Berlin profitierte am meisten, gefolgt von den ostdeutschen Flächenländern.

Bund und Länder verständigten sich auf weitere Projekte, etwa eine gemeinsame Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, über die später Bundesautobahnen privat betrieben werden können. Der Bund darf künftig gezielt den Bau von Schulen fördern. Bedürftige Kinder sollen länger und unbefristet Unterhaltsvorschuss bekommen können.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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