Satiremagazin "Charlie Hebdo" in der Kritik:Paris verurteilt Veröffentlichung neuer Mohammed-Karikaturen

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Provokation oder Pressefreiheit? Die französische Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" veröffentlicht neue Mohammed-Karikaturen. Während Frankreichs Regierung den Abdruck kritisiert, verteidigt sich das angesehene Magazin. Die Homepage der Zeitschrift war am Mittwochmorgen nicht erreichbar.

Furcht vor neuen Unruhen in Frankreich: Trotz der gewaltsamen Proteste gegen den Mohammed-Film aus den USA hat das Magazin Charlie Hebdo neue Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht. Die Zeichnungen seien nicht provozierender als gewöhnlich, rechtfertigte sich der verantwortliche Redakteur Stéphane Charbonnier in einem Interview des Nachrichtensenders i>Télé. Zugleich verwies er auf die Pressefreiheit.

Auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe vom Mittwoch ist ein gebrechlicher Mann mit Turban in einem Rollstuhl zu sehen. Er wird von einem Mann geschoben, der einen orthodoxen Juden darstellen soll. "Man darf sich nicht lustig machen", wird den beiden Figuren in einer Sprechblase in den Mund gelegt. Darüber prangt der Titel "Intouchables 2", eine Anspielung auf den Titel des beliebten Films, der in Deutschland als "Ziemlich beste Freunde" in die Kinos kam. Die Titelseite war am Dienstagabend auf der Webseite des Blattes zu sehen.

Am Mittwochmorgen war der Internetauftritt von Charlie Hebdo nicht mehr erreichbar. Zunächst war unklar, ob die Website von radikalen Islamisten lahmgelegt wurde oder beispielsweise zu Wartungszwecken vom Netz genommen werden musste. Die Redaktion war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Außenminister appelliert an Verantwortungsbewusstsein

Die französische Regierung zeigt sich besorgt über die Veröffentlichung der Karikaturen. Alles, was in der gegenwärtigen Lage provoziere, müsse verurteilt werden, sagte Außenminister Laurent Fabius. Er teilte seine "Missbilligung jeder Zügellosigkeit" angesichts der aktuellen Ereignisse mit und appellierte an ein verantwortungsbewusstes Verhalten aller.

Die französische Regierung kündigte derweil an, eine in Paris geplante Demonstration gegen das islamfeindliche Mohammed-Video aus den USA zu verbieten. Es gebe keinen Grund, Konflikte zuzulassen, die mit dem eigenen Land nichts zu tun hätten, erklärte Premierminister Jean-Marc Ayrault in einem Interview des Radiosenders RTL. Der eingereichte Protestantrag für diesen Samstag werde zurückgewiesen. Kritiker befürchten nun auch Gewalttaten radikaler Islamisten als Reaktion auf die Veröffentlichung der neuen Mohammed-Karikaturen.

Das angesehene Satireblatt verteidigte seine Absicht. "Wir veröffentlichen Karikaturen über jeden und alles jede Woche. Wenn wir es aber mit dem Propheten machen, wird es Provokation genannt", sagte Chefredakteur Charbonnier. Die Karikaturen würden nur diejenigen schockieren, die schockiert sein wollten.

Der französische Rat der Muslime teilte seine "tiefe Bestürztheit" angesichts der "beleidigenden Zeichnungen" mit. Der Rat sei besorgt, dieser "unverantwortliche Akt" könne neue Spannungen schüren.

Schon mehrmals gewaltsame Proteste wegen Karikaturen

Wenige Stunden vor der Veröffentlichung traf die französische Polizei nach eigenen Angaben Sicherheitsvorkehrungen vor dem Redaktionsgebäude von Charlie Hebdo in Paris. Im November 2011 war es zu massiven Protesten gekommen, nachdem das Wochenblatt eine Sonderausgabe dem islamischen Recht, der Scharia, gewidmet hatte und diese "Charia Hebdo" genannt hatte. Darin war der Prophet Mohammed als außerordentlicher Chefredakteur "eingeladen" gewesen. Demonstranten hatten damals das Gebäude in Brand gesetzt.

Mohammed-Karikaturen hatten schon mehrmals gewaltsame Proteste in der islamischen Welt ausgelöst - Anfang 2006 kamen dabei mehr als 150 Menschen ums Leben. Auslöser waren Karikaturen der dänischen Zeitung Jyllands-Posten. Seit einigen Tagen gibt es heftige Proteste gegen ein in den USA produziertes Schmäh-Video über den Propheten. Das Terrornetz al-Qaida hat dazu aufgerufen, US-Botschaften zu stürmen und Diplomaten zu töten. Bei Angriffen starben bereits etliche Menschen, darunter der US-Botschafter in Libyen.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/Reuters/kjan - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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