NSU-Ermittlungen:Zschäpe soll wegen Beteiligung an Morden angeklagt werden

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Welche Rolle hat Beate Zschäpe im Zwickauer Terror-Trio gespielt? Eine wichtigere als bislang angenommen, glauben die Ermittler. Sie erheben neue Vorwürfe gegen die mutmaßliche Terroristin und fordern eine Verlängerung der Untersuchungshaft. Zschäpe schweigt zu den Anklagepunkten und vergrößert das Team ihrer Verteidiger.

Hans Leyendecker

Die Bundesanwaltschaft hat die Vorwürfe gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe ausgeweitet: Die Karlsruher Behörde will die 37-Jährige auch wegen der angeblichen Beteiligung an den zehn Morden der Terrorbande sowie den 14 Banküberfällen und wegen angeblich versuchten Mordes im Zusammenhang mit Brandstiftung anklagen. Das geht aus dem am 15. August fertiggestellten Antrag der Bundesanwaltschaft hervor, der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) solle im Fall Zschäpe die Fortsetzung der Untersuchungshaft anordnen. In dem Haftbefehl vom 13. November vergangenen Jahres wurde Zschäpe nur Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und schwere Brandstiftung vorgeworfen.

Welche Rolle hatte Beate Zschäpe in dem Terror-Trio inne? Die Bundesanwaltschaft weitet die Ermittlungen gegen die 37-Jährige aus. (Foto: dpa)

Die mutmaßliche Terroristin sitzt schon seit neun Monaten in Untersuchungshaft. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat im Zusammenhang mit der neuerlichen Haftprüfung eine Art Zwischenbilanz des umfänglichen Verfahrens gezogen. Dem Antrag an den BGH wurde auch ein dicker Vermerk des Bundeskriminalamts (BKA) über die "Tatvorwürfe zu Zschäpe" beigelegt, der erst am Montag dieser Woche fertiggestellt worden ist.

Bei der Haftprüfung vor drei Monaten hatte der Bundesgerichtshof Druck gemacht, die Aufklärung der Mordserie zügig voranzutreiben. In einem bemerkenswerten Beschluss hatte der BGH am 18. Mai zwar im Fall Zschäpe die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet, aber zugleich erklärt, allgemeine "flächenabdeckende Abklärungen" der Ermittler würden ein "Zuwarten mit der Anklageerhebung nicht rechtfertigen". Für die Aufklärung des "historischen Geschehens in Gänze" sei bei Ermittlungen in Haftsachen keine Zeit. Dieser Beschluss hatte die Karlsruher Ermittler irritiert und es hatte Überlegungen gegeben, einen Anklageentwurf bis zum 18. August, dem jetzigen Haftprüfungstermin, fertigzustellen.

Anklage hat absolute Priorität in Karslruhe

In dem neuen Antrag steht, der "außergewöhnliche Umfang" der Ermittlungen habe zwar eine Anklageerhebung "bislang noch nicht zugelassen", aber die Karlsruher Behörde habe "in Ansehung des Beschlusses des Senats" mit der Fertigstellung der Anklage begonnen. Derzeit seien "Anklageteile" im Umfang von etwa 250 Seiten mit mehr als eintausend Fußnoten fertiggestellt. Sieben Staatsanwälte seien von anderen Verfahren freigestellt worden und mit der Anklage befasst, die absolute Priorität für die Karlsruher Behörde habe. Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft müssen "aktuelle Erkenntnisse" aus knapp 600 Aktenbänden ausgewertet werden.

Die in Köln-Ossendorf einsitzende Zschäpe hatte mit den Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos über ein Jahrzehnt im Untergrund gelebt und nach dem Tod der beiden Mörder die gemeinsame Wohnung in Zwickau angezündet. Eine 89-jährige Nachbarin war noch in der Wohnung, als das Feuer ausbrach. Vor allem deshalb wollen die Ermittler Zschäpe auch versuchten Mord im Zusammenhang mit schwerer Brandstiftung vorwerfen.

Obwohl es weiterhin keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie unmittelbar an den Verbrechen beteiligt war, will die Anklagebehörde Zschäpe auch wegen der zehn Morde und wegen der 14 Banküberfälle der Bande anklagen. Die Ermittler des BKA beschäftigen sich in ihrem Vermerk intensiv mit der angeblichen Position von Zschäpe in der terroristischen Vereinigung.

Zschäpe sitzt derzeit im Gefängnis Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft, sie soll ihr Aussehen erneut verändert haben.  (Foto: dpa)

Bei der Auswertung von Assservaten aus der Wohnung wurden zwei Zeitungsausschnitte mit ihren Fingerabdrücken gefunden. Die ausgeschnittenen Artikel bezogen sich auf einen Sprengstoffanschlag in Köln sowie auf die Ermordung eines Migranten in München und gehörten offenbar zu einer Art Archiv. Solche Artikel hatten Verwendung in einem Bekenner-Video gefunden, das Zschäpe nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt an 15 Adressen verschickt hatte.

In dem Antrag an den BGH weist die Bundesanwaltschaft auch darauf hin, dass die Auswertung der Asservate immer noch andauere. So seien durch die Kriminaltechnik des BKA Ende Juli Blutanhaftungen der von den Terroristen 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter an einer im Brandschutt in Zwickau gefundenen Jogginghose entdeckt worden. Zwei Taschentüchter in dieser Hose hätten durch eine molekulargenetische Untersuchung Mundlos zugeordnet werden können. Solche Erkenntnisse seien "in der Zusammenschau mit anderen Ermittlungsergebnissen" angeblich auch für die Beurteilung der Tatbeiträge Zschäpes von Bedeutung, meint die Karlsruher Behörde.

Verteidigerteam wird verstärkt

Zschäpe hat sich bislang zu all den Vorwürfen noch nicht geäußert. Sie schweigt. Ihr Verteidigerteam ist offenbar mit Blick auf den bevorstehenden Prozess, der mit ziemlicher Sicherheit in München stattfinden wird, größer geworden. Neben den beiden Anwälten Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl wird sie jetzt auch von der Berliner Anwältin Anja Sturm juristisch beraten. Die Bestellung von Sturm erfolgte augenscheinlich in Absprache mit Heer und Stahl.

Sturm hatte in München im Prozess um die so genannte "Russen-Mafia" oder auch im so genannten "Islamisten-Prozess" verteidigt. In Regensburg verteidigte sie in dem Verfahren um den "Mord ohne Leiche". Die 1970 in den USA geborene Anwältin soll, wie aus Kölner Justizkreisen zu erfahren ist, Zschäpe bereits in der Haft besucht haben.

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