Zugunglück in Kanada:Zweifel an Aussagen des Lokführers

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Aufräumarbeiten nach dem Zugunglück in Lac-Mégantic (Foto: dpa)

Nach neuen Schätzungen der Polizei sind bei dem verheerenden Zugunglück in Kanada etwa 50 Menschen ums Leben gekommen. Bei einem Besuch in Lac-Mégantic äußert sich der Chef des Bahnunternehmens - und vermutet die Schuld beim Lokführer.

Die Zahl der Opfer des verheerenden Zugunglücks in der kanadischen Kleinstadt Lac-Mégantic wird Polizeiangaben zufolge wahrscheinlich auf 50 steigen. 20 Leichen seien bisher geborgen worden und bei 30 Vermissten gehe man davon aus, dass sie ebenfalls tot seien, sagte ein Polizeisprecher.

Bislang war die Opferzahl mit 15 und die Zahl der Vermissten mit bis zu 60 angegeben worden. Fünf Leichen wurden im Lauf des Mittwochs entdeckt. Eines der 20 bisher geborgenen Opfer konnte bislang identifiziert werden, teilte die Polizei mit, wollte aber keine Details nennen.

Der Lokführer des Unglückszugs wurde unterdessen vom Dienst suspendiert. Er sei "unter der Kontrolle der Polizei", sagte Edward Burkhardt, Chef des Bahnunternehmens Montreal, Maine & Atlantic Railway, Medienberichten zufolge. Der Mann werde bis auf weiteres nicht für sein Unternehmen arbeiten und auch kein Gehalt bekommen. "Ich glaube nicht, dass er wieder für uns arbeiten wird."

Der Lokführer habe gesagt, dass er an dem Unglückszug nach dem Abstellen elf Handbremsen gesetzt habe. "Wir haben jetzt das Gefühl, dass das nicht wahr ist." Er glaube nicht, dass die Handbremsen ordnungsgemäß gesetzt wurden, sagte Burkhardt. Der zuständige Lokführer arbeitet nach Angaben des Bahnunternehmens seit vielen Jahren für die Firma und ist bislang noch nie negativ im Zusammenhang mit Sicherheitsmaßnahmen aufgefallen.

Unternehmenschef fühlt sich "scheußlich"

Sein Unternehmen trage sicher "jede Menge Verantwortung", sagte Burkhardt - allerdings müsse noch geklärt werden, ob die Verantwortung für das Unglück ausschließlich bei seinem Unternehmen liege. Er fühle sich persönlich "absolut scheußlich". Bewohner von Lac-Mégantic protestierten mit Plakaten gegen den Besuch von Burkhardt, dessen Firma sie für das Unglück verantwortlich machten.

Die Polizei ermittelt unterdessen nach eigenen Angaben weiter, ob das Entgleisen der mehr als 70 Kesselwagen am frühen Samstagmorgen einen kriminellen Hintergrund hat. Das Zentrum des Städtchens mit nicht einmal 6000 Einwohnern sei gesperrt, sagte ein Polizeisprecher. Wer in dem verwüsteten Areal angetroffen werde, müsse mit der Festnahme rechnen. Details der Ermittlungen wollte er nicht nennen, für Terrorismus gebe es keine Hinweise.

Zum Gedenken der Opfer sollen die Flaggen an allen öffentlichen Gebäuden in der Provinz Quebec ab Donnerstag für eine Woche auf Halbmast wehen. Bei dem Unglück waren am frühen Samstagmorgen mehr als 70 mit Rohöl beladene Kesselwagen rund zwölf Kilometer aus dem Nachbarort Nantes einen Berg hinunter nach Lac-Mégantic gerast. Das leicht entflammbare Rohöl stammte aus dem US-Bundesstaat North Dakota und sollte in die kanadische Provinz New Brunswick transportiert werden.

In der Innenstadt von Lac-Mégantic entgleiste der Geisterzug. Mehrere Detonationen mit gewaltigen Feuerbällen erschütterten die Kleinstadt. Etwa 30 Gebäude wurden zerstört. 2000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die meisten konnten zwar Anfang der Woche wieder zurückkehren, 600 mussten aber auch am Mittwoch noch bei Freunden oder in Notunterkünften ausharren.

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