Yemenia-Flug IY626:Verwirrung nach dem Absturz

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Eine Überlebende gefunden, 152 verschollen: Rettungsteams suchen vor der Küste Ostafrikas noch immer nach den Passagieren des Unglücksflugs IY626.

Am Tag nach der Flugzeugkatastrophe vor den Komoren herrscht Verwirrung: Zunächst hieß es, dass es nach dem Absturz einer jemenitischen Passagiermaschine einen zweiten Überlebenden geben soll. Diese Meldung wies der französische Staatssekretär Alain Joyandet zurück.

Der Name der Überlebenden Bahia Bakari heißt auf Deutsch "Hoffnung". (Foto: Foto: AFP)

Anderen Agenturen zufolge haben die Behörden einen Tag nach dem Absturz keine weiteren Überlebenden gefunden. "Aber wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben", sagte Vizepräsident Idi Nahoim der Nachrichtenagentur Reuters in einem Telefonat. Der mit 153 Menschen besetzte A310 war am Dienstag beim Landeanflug auf die Archipel-Hauptstadt Moroni von den Radarschirmen verschwunden und in den Indischen Ozean gestürzt. Als einzige Überlebende wurde ein 14-jähriges Mädchen geborgen.

Das Mädchen ist wohlauf

Dem Teenager gehe es gut, sagte Said Mohammed, eine Krankenschwester in der Klinik El Mararouf in der Hauptstadt Moroni. Sie habe sich in der Nacht um das Mädchen gekümmert. Eine bei der Suche nach Überlebenden eingesetzte Rettungskraft sagte im Radiosender Europe 1, das Mädchen sei im Wasser treibend entdeckt worden. Den Rettungsring, den man ihr zugeworfen habe, habe sie nicht greifen können, sagte Said Abdilai. Daraufhin sei er selbst ins Wasser gesprungen und habe geholfen, sie zu bergen.

Verwirrung gibt es indes um den Flugschreiber des Airbus A310. Die Regierung der Komoren dementierte am Mittwoch Berichte über die Ortung der Black Box. Der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Abdillah Mougni, bestritt französische Informationen, nach denen Flugdatenschreiber und das Aufzeichnungsgerät für Gespräche lokalisiert worden seien. "Das bezweifle ich sehr stark", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die französische Regierung hat trotz Dementis von den Komoren an der Aussage festgehalten, ein Flugschreiber des in den Indischen Ozean gestürzten Airbus sei geortet worden. Verkehrs-Staatssekretär Dominique Bussereau erklärte nach der Kabinettssitzung in Paris, man habe entsprechende Signale aus dem Meer aufgefangen. Sein Kabinettskollege Alain Joyandet präzisierte in Moroni, das Signal sei am Dienstag 40 Kilometer vor der Küste der Insel Grande Comore von einem Flugzeug empfangen worden.

Die beiden Flugschreiber - der Flugdatenschreiber und der Stimmrekorder - könnten Aufschluss darüber geben, warum der Airbus A310 abgestürzt ist. Allerdings wurden in Paris Zweifel laut, dass das Signal tatsächlich vom Flugschreiber stammt. Ein französischer Militärtransporter des Typs Transall hat nämlich das Signal einer Notsignal-Bake des Airbus aufgefangen. Es war unklar, ob dies zur Aussage der Staatssekretäre geführt hat. Die komorische Regierung erklärte, die Nachricht von der Ortung der Flugschreiber sei "eine Falschinformation".

Berichte dementiert

Mougni dementierte zudem Berichte, dass fünf Leichen aus dem Wasser geborgen worden seien. Sie seien von Booten aus zwar gesichtet worden, hätten wegen der schweren See aber nicht aus den Fluten des Indischen Ozeans gezogen werden können. Der aus dem Jemen kommende Airbus war in der Nacht zum Dienstag vor der Küste der Komoren mit 153 Menschen an Bord nach einem missglückten Landeanflug auf die Inselhauptstadt Moroni abgestürzt. Gefunden worden seien bisher lediglich kleinere Wrackteile und Gepäckstücke.

Die gerettete 14-Jährige berichtete Angehörigen, dass sie nach dem Absturz Stimmen im Dunkeln gehört habe. Das lässt darauf schließen, dass mehrere der Insassen den Absturz zunächst überlebten. Der jemenitische Transportminister Chalid al-Wasir trat Spekulationen entgegen, der Jet könne wegen eines technischen Defekts abgestürzt sein.

Die in Frankreich vor zwei Jahren festgestellten Mängel hätten nur die Sitze, TV-Bildschirme und Kopfhörer betroffen, aber keine sicherheitsrelevanten Teile, berichtete die Nachrichtenagentur Saba. Die Maschine sei erst im Mai von Airbus-Technikern begutachtet worden. Der französische Entwicklungshilfe-Staatssekretär Alain Joyandet, der am Mittwoch zur Koordinierung der Hilfe auf die Komoren gekommen war, hatte als möglichen Grund für den Absturz das schlechte Wetter genannt - außerdem sei das Flugzeug "nicht in gutem Zustand" gewesen.

Die komorische Regierung wirft Frankreich vor, sie nicht genügend über die Maschine informiert zu haben. Außerdem warf die Regierung Frankreich indirekt vor, Komorer zu diskriminieren. "Die Franzosen hätten uns informieren müssen über alle Probleme, die dieses Flugzeug hatte", sagte der Komoren-Vizepräsident Idi Nadhoim dem Sender France24. "Es wäre für uns einfacher gewesen, wenn Frankreich uns die Liste der Airbus-Flugzeuge mitgeteilt hätte, die nicht zum Fliegen geeignet sind", sagte Nadhoim. Die abgestürzte Maschine hatte in Frankreich Landeverbot erhalten, nachdem bei ihr 2007 Mängel festgestellt worden waren. Frankreichs Luftfahrtbehörden hatten Yemenia und andere europäische Länder darüber informiert.

Komorer sind wütend

"Wir überprüfen alle Flugzeuge, die hier (auf den Komoren) ankommen, regelmäßig", sagte Nadhoim. "Wir vertrauen den Luftfahrtbehörden der Länder, mit denen wir zusammenarbeiten." Nadhoim sagte, die Airbus-Maschinen von Yemenia würden von Airbus gewartet. Der Hersteller Airbus erklärte der dpa dazu, dass Airbus Fluggesellschaften nur berate und keine Wartung übernehme.

Nadhoim warf Frankreich indirekt vor, Bürger komorischer Herkunft zu benachteiligen. "Die Passagiere, die Yemenia (Richtung Moroni) benutzen, sind zu 99 Prozent Franzosen", sagte er. "Was ist das für eine Unterscheidung zwischen solchen Franzosen, die geschützt werden müssen, und solchen Franzosen, die sich selbst überlassen werden, in solchen Flugzeugen mitzufliegen."

Unterdessen haben wütende Komorer in Paris den Start einer Maschine dieser Airline in Richtung Sanaa verzögert. Die Demonstranten warfen der jemenitischen Fluggesellschaft vor, "fliegende Särge" auf der Route zu den Komoren einzusetzen. Die Flughafengesellschaft ADP verlegte den Flug auf ein anderes Terminal. Etwa 100 Passagiere seien in die A330 eingestiegen, berichteten TV-Korrespondenten. Die Maschine hob mit zwei Stunden Verspätung ab. Ein Passagier, der bei dem Absturz mehrere Freunde verloren hatte, ließ sich das Ticket auszahlen. Etwa 20 andere folgten seinem Beispiel. Starke Polizeikräfte sorgten dafür, dass die Passagiere an Bord konnten.

Viele in Frankreich lebende Komorer nutzen den Ferienbeginn zu einem Heimatbesuch. Sie nutzen dabei den 1500 Euro teuren Flug mit der kritisierten Yemenia, der am billigsten ist. Oftmals verdienen sie als Ungelernte kaum 1000 Euro im Monat. Die Flüge von Paris gehen über Marseille nach Sanaa. Dort müssen die Passagiere umsteigen, um nach Moroni auf den Komoren zu kommen. Nach dem Absturz des ab Sanaa eingesetzten Anschluss-Flugzeugs erwägt die Airline, die A330 von Paris ohne Zwischenstopp fliegen zu lassen und den Passagieren das Umsteigen in Sanaa künftig zu ersparen.

Viele Französisch-Komorer machen aus ihrer Wut auf Yemenia keinen Hehl. "Man behandelt uns wie die Hunde. Wir machen jetzt alles kaputt", drohte ein Komorer am Mittwoch in Marseille. "Sie setzen uns in Schrottmaschinen", erklärte Farid Soilihi, Vorsitzender der 2008 gegründeten Interessengemeinschaft "SOS Voyages aux Comores", die für sicherere Flüge kämpft. Manchmal falle das Gepäck während des Flugs herunter. Oft fehlten Sicherheitsgurte, sagte er.

© dpa/AP/AFP/Reuters/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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