Wetter:Auch für die Tiere ist es zu viel Schnee

Wetter: Wildtiere leiden unter den Schneemassen: sie schneien ein.

Wildtiere leiden unter den Schneemassen: sie schneien ein.

(Foto: Hubert Billiani)
  • Die Schneemassen der vergangenen Tage setzen nicht nur Menschen, sondern auch Tieren zu; viele finden keine Nahrung oder werden eingeschneit.
  • Der bayerische Jagdverband hat nun die Luftwaffe um Hilfe gebeten: Hubschrauber sollen Heuballen als Futter in entlegene Gebiete bringen.
  • Jäger appellieren an ihre Kollegen, die Jagd einzustellen.

Von Rudolf Neumaier

Hubert Billiani, 56, ist seit 40 Jahren Jäger, aber das hat er noch nicht erlebt. Dass Rehe bei ihm im Karwendelgebiet auf der Teerstraße stehen. Und dass Gämsen zu den Fütterungsanlagen der Hirsche kommen, das hat es auch noch nie gegeben. Die Gams ist ein reiner Selbstversorger und lässt sich nicht füttern. Normalerweise. Die Schneemassen der vergangenen Tage, da sind sich Billiani und die anderen Jäger einig, setzen dem Wild in den Alpen extrem zu. Wenn schon ausgewachsene Hirsche eingeschneit werden, mag man sich kaum ausmalen, wie viele Rehe und Raufußhühner im meterhohen Schnee gefangen sind und zugrunde gehen.

Der bayerische Jagdverband hat nun die Luftwaffe um Hilfe gebeten: Hubschrauber sollen Heuballen in entlegene Gebiete bringen, in die seit Tagen kein Jäger mehr gelangt ist. "Unsere Hirsche und Rehe sind Wiederkäuer", sagt der Biologe und Verbandssprecher Thomas Schreder, "wenn die nicht regelmäßig Nahrung bekommen, übersäuert der Pansen und sie sterben einen qualvollen Tod."

Ein Hirsch steckt bis zum Geweih im Schnee

In Jäger-Chatgruppen kursieren Fotos aus der Steiermark, die das Ausmaß des Dramas erahnen lassen. Ein mächtiger Hirsch steckt bis zum Geweih im Schnee und würde erfrieren und verhungern, würde ihn nicht ein Jäger freischaufeln. Ein weiteres Tier, das in einem kurzen Film zu sehen ist, ist gänzlich verschüttet und wird von einem Jäger mit der Hand ausgegraben - es dürfte erstickt sein. "Die Rehe, die sich an den Fütterungen aufhalten, werden es überstehen", sagt der steirische Berufsjäger Jürgen Lechner am Telefon. Für alle Tiere, die sich bei den extremen Schneefällen in der Peripherie aufgehalten haben, sieht er schwarz.

Wetter: Jäger fürchten, dass viele Wildtiere diesen Winter nicht überleben werden.

Jäger fürchten, dass viele Wildtiere diesen Winter nicht überleben werden.

(Foto: Hubert Billiani)

Die Bilder aus der Steiermark hat der Hamburger Jurist und Jagdrechtsexperte Heiko Granzin zum Anlass genommen, Tierschutz- und Anti-Jagd-Organisationen aufzurufen, selbst zur Schneeschaufel zu greifen und beim Bergen des Wildes zu helfen: "Gelebte Tierliebe ist natürlich etwas anstrengender, wenn man bei drei Metern Schneehöhe Futterbündel den Berg rauftragen muss, anstatt in Schweineställe einzubrechen oder Hochsitze anzusägen." Die Resonanz auf seinen Appell sei dürftig. Vielmehr hätten die aufgerufenen Tierschützer ihn einer "unterirdischen Polemik" bezichtigt und darauf hingewiesen, dass Hirsche und Rehe seit Jahrtausenden auch ohne menschliche Hilfe überlebt hätten.

Doch genau da liegt ein Missverständnis vor, sagen die Jäger. Zum einen träten durch das veränderte Klima völlig neue Extremwetterlagen auf wie nun die Schneemassen. Zum anderen habe der Mensch die Natur so sehr verändert, dass das Wild nicht mehr ohne seine Unterstützung auskäme. "Wir haben ihnen die Wege in die unteren Regionen abgeschnitten. Dort wären sie jetzt sicher", sagt der Jäger Hubert Billiani. Vor 250 Jahren überwinterten die Hirsche aus dem Karwendel in der Münchner Au, die heute zum Innenstadtbereich gehört. Ohne die Fütterung durch die Jäger würden Hirsche und Rehe strenge Winter kaum überstehen.

Jäger appellieren an ihre Kollegen, die Büchsen im Schrank zu lassen

In diesem Winter rechnen die Jäger der Alpenregion mit dem Schlimmsten: dass allenthalben tote Gämsen und Rehe zum Vorschein kommen, wenn der Schnee schmilzt. "Eigentlich müssten die Gamsbestände dann erst mal durch ein Monitoring erfasst werden", sagt Thomas Bär, der Vorsitzende der Jäger-Kreisgruppe von Garmisch-Partenkirchen. Allerdings kennen die Behörden keine Gnade: Selbst wenn die Populationen dezimiert sind, müssen die Jäger auch im kommenden Jagdjahr die vorgegebenen hohen Abschusszahlen erfüllen. So streng wie in Bayern werde das in keinem anderen Land gehandhabt.

Was die Wildtiere, wenn sie sich denn in Sicherheit gebacht haben, außer Heu brauchen? "Ruhe, Ruhe, Ruhe", sagt Hubert Billiani. Allein wegen der Kälte verbrauchen sie viel Energie. "Wenn sie jetzt auch noch aufgeschreckt und in Stress versetzt werden, ist das ihr sicherer Tod." Hirschen, Rehen und stark gefährdeten Populationen von Auer-, Birk- und Haselwild können Skitourengeher den Garaus machen. Die meisten Jäger haben die Jagd eingestellt und appellieren an ihre Kollegen, die Büchsen im Schrank zu lassen.

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