Waldbrände in Kalifornien:Dann schalten wir eben den Strom ab

Waldbrände in Kalifornien

Ein Löschflugzeug fliegt über den Flammen eines Waldbrandes bei Lakeport, Kalifornien.

(Foto: dpa)

Kalifornien erlebt die schlimmsten Waldbrände seiner Geschichte. Schuld daran soll auch ein Energieversorger sein. Der reagiert nun harsch.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Donald Trump hat die Schuldigen an dieser Katastrophe, wie es seine Art ist, rasch identifiziert und sogleich schonungslos an den virtuellen Twitter-Pranger gestellt. Faktisch gesehen war seine Analyse zwar falsch, aber politisch gesehen war sie einigermaßen ausgebufft.

Die Chancen, dass Trump bei der nächsten Präsidentschaftswahl in Kalifornien die Mehrheit der Stimmen bekommt, liegt bei ungefähr null Prozent. Er hat dort also nichts zu verlieren (manche Kalifornier sagen, er habe dort nichts verloren) und kann deshalb ungehemmt draufhauen auf den Bundesstaat an der Pazifikküste: Die schlimmsten Waldbrände der Geschichte - allein in diesem Jahr hat bislang eine Fläche von mehr als 4000 Quadratkilometern gebrannt, das entspricht ungefähr eineinhalb mal dem Saarland - koste die amerikanischen Steuerzahler wegen der kalifornischen Inkompetenz "Hunderte von Milliarden Dollar", behauptete der twitternde Präsident, ohne zu erklären, wie er auf diese gewaltige Zahl kam.

Die Zahl ist frei erfunden, die US-Bundesregierung hat in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 1,4 Milliarden Dollar zur Bekämpfung der Wildfeuer ausgegeben. Aber selbst für die Faktenorientierten unter den Kaliforniern ist diese Frage schon interessant: Wer trägt die Verantwortung für den Schaden, der alleine in diesem Jahr bei knapp 20 Milliarden Dollar liegen dürfte? Zum einen und vor allem der Klimawandel, gewiss, der seit Jahren für die extreme Dürre in Kalifornien sorgt; hinzu kommen die heftigen und nur schwer vorherzusagenden Winde, die auch an diesem Wochenende so bliesen, dass sich einige Feuer ausweiteten. Außerdem eine mangelhafte Prävention und die verheerende Naivität, Siedlungen dort zu errichten, wo Wälder seit Tausenden von Jahren durch Brände regenerieren.

"Sie müssen die Verantwortung übernehmen"

Möglicherweise aber auch verantwortlich und damit konkret haftbar ist der Energiekonzern Pacific Gas and Electric (PGE). Dessen Strommasten sollen Ermittlungen der kalifornischen Feuerwehr zufolge mindestens 16 Feuer entfacht und damit immensen Schaden angerichtet haben. Die Erklärung dafür ist so einfach wie erschreckend. Es kommt an diesen Masten zu Funken, die in der trockenen Hitze vom Wind zu Bäumen getragen werden und ein Feuer starten, das sich danach aufgrund von Dürre und Hitze kaum noch aufhalten lässt. Das heißt: Die Masten müssen noch nicht einmal einknicken oder umfallen, und es muss sich auch nicht unbedingt ein Kabel lösen.

Knapp 3000 Anwohner in Nordkalifornien haben das Unternehmen mittlerweile auf Schadenersatz in Höhe von insgesamt 17 Milliarden Dollar verklagt. "Sie müssen die Verantwortung übernehmen", sagt der Feuerwehrmann Derrick Alvestal, dessen Haus in Santa Rosa im vergangenen Jahr abgebrannt ist: "Wenn sie sich ordentlich um Infrastruktur und Prävention gekümmert hätten, wäre das alles womöglich nicht passiert." Gouverneur Jerry Brown hat sicherheitshalber vor wenigen Wochen ein äußerst komplexes und kontroverses Gesetz verabschiedet, das den Konzern durch bundesstaatliche Zuschüsse vor dem Konkurs schützen soll.

Wer in Kalifornien - jenem US-Bundesstaat, in dem im Silicon Valley die technologische Zukunft mitverhandelt wird - die Energie-Infrastruktur betrachtet, der braucht kein Experte zu sein, um zu erkennen, dass da einiges im Argen liegt. Wenn man zum Beispiel in Los Angeles lebt, genügt es mancherorts schon, vor die Haustür zu treten, um vor einem 15 Meter hohen und nicht besonders stabil wirkenden Holzstamm zu stehen (der Eindruck der Instabilität wird durch drei warnende Verkehrskegel bestätigt), vom Holzstamm aus führen insgesamt 26 Kabel zu anderen Häusern, drei hängen lose herunter, zwei sind um die Straßenlampe gewickelt. Oben steht, und das trägt nicht zur Beruhigung bei: "High Voltage", Hochspannung.

Im Umkreis von fünf Metern um die Masten dürfen keine Bäume mehr stehen

Der Stromversorger PGE hat offenbar erkannt, dass von den Masten und Leitungen gewisse Gefahren ausgehen - und hat nun darauf reagiert: In der vergangenen Woche hat PGE in besonders gefährdeten Gebieten im Norden Kaliforniens den Strom abgestellt. Mehr als 60 000 Leute saßen plötzlich im Dunkeln. "Die Stadt war von einem auf den anderen Moment tot", sagt Christine Comaduran-Silva aus der Kleinstadt Pleasant Valley, die vom Stromausfall betroffen gewesen ist: "Die Geschäfte waren zu, die Schulen waren zu, die Restaurants waren zu, und kaum jemand hatte sich darauf vorbereiten können. Die Stromrechnung müssen wir dennoch bezahlen, aber wer kommt für die Kosten auf?" Sie habe etwa 400 Dollar ausgegeben für einen Generator, für Batterien und Notfall-Nahrung.

Das Unternehmen hat angekündigt, auch künftig den Strom abstellen zu wollen, wenn die Luftfeuchtigkeit unter 20 Prozent fällt und die Winde Geschwindigkeiten von mehr als 40 Stundenkilometer erreichen. Das könnte bereits in dieser Woche passieren. "Es ist eine interessante Entscheidung, die kurzfristig sicherlich nachvollziehbar ist", sagt der Klimaforscher Daniel Swain von der Universität UCLA. Aber: "Wir müssen darüber nachdenken, ob das, was wir zur Prävention dieser Feuer tun, künftig noch ausreichend sein wird."

PGE hat auf 24-Stunden-Überwachung umgestellt, mehr als 100 Wetterstationen installiert und veranlasst, dass künftig im Umkreis von fünf Metern um die Masten keine Bäume mehr stehen dürfen, bislang betrug der Mindestabstand 1,30 Meter. Der einzige Notfallplan jedoch lautet immer noch, und das dürfte eine ganze Weile so bleiben: Strom abstellen.

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