Das Land ist braun und schwer. Gegen die Dürre haben alle Gebete nichts geholfen, und so hat das Feuer ein leichtes Spiel gehabt hier oben im Karmel-Nationalpark. Rasend schnell breitet es sich aus, und immer weiter dringt es vor, entzündet sich durch Funkenflug auf einer neuen Hügelkuppe, kriecht die Hänge hinunter und nimmt die Täler im Sturm. Micky Rosenfeld, Israels Polizeisprecher, schaut von einem Aussichtspunkt am Eingang des Nationalparks auf das Inferno und bilanziert: "41Tote, 15000 Menschen evakuiert, 3000 Hektar verbrannt. Bis jetzt."
Es droht eine Katastrophe, wie Israel sie sonst wohl nur im Krieg erlebt hat. Mit Kriegen aber kann das Land umgehen - mit Feuer offenbar nicht. Unvorbereitet hat es die Nation getroffen, die unterbesetzte und schlecht ausgerüstete Feuerwehr hat keine Chance gehabt, schnell sind die Brände außer Kontrolle geraten. Wie sie entstanden, weiß noch keiner zu sagen. "Es hat drei Brandherde gleichzeitig gegeben, möglicherweise ist das kein Zufall", sagt Rosenfeld. Die israelische Polizei nahm am Freitag zwei Männer wegen des Verdachts auf versuchte Brandstiftung fest. Näheres war nicht bekannt.
Angefacht wird die Feuerwalze nun durch starke Winde, die sich ständig drehen, und dies war schon jenen Wachleuten zum Verhängnis geworden, die bei der Evakuierung eines Gefängnisses helfen sollten. Plötzlich war ihr mit 50 Personen besetzter Bus von Flammen umzingelt, und viele verbrannten bei lebendigem Leib. Auch Feuerwehrleute sind unter den Opfern, und die Polizei-Chefin von Haifa, die sich ein Bild machen wollte von der Lage, kämpft nun mit schwersten Verbrennungen um ihr Leben.
Wenn das Feuer weiter vordringt, ist auch Haifa selbst bedroht, ein Großraum mit 600000 Einwohnern. Ein paar südliche Stadtteile wurden bereits geräumt, doch viele Bewohner sind unvorsichtig und kehren auf eigene Faust zurück. Die Polizei greift jetzt durch, "wir müssen aufpassen, dass nicht noch mehr sterben", sagt Rosenfeld. Doch auch er kann den Leuten nicht sagen, wann und wie die Flammen endlich aufgehalten werden können. "Vielleicht in 24 Stunden, vielleicht in 48, das hängt von den Flugzeugen ab", sagt der Polizeisprecher und zeigt nach oben, in den Himmel.
Durch die Rauchwolken, die schwarz und grau sind und manchmal rot, als würden sie das Feuer in sich tragen, sieht man die ersten Löschflugzeuge, die vom Meer her kommend ihre Last über den Hügeln verteilen. Am frühen Morgen waren sie eingetroffen aus Zypern, Griechenland und Bulgarien. "Zehn Maschinen sind im Einsatz", sagt Rosenfeld, "bis zum Abend sollen es 20 sein. Das ist die internationale Hilfe." Israel hat um Hilfe gerufen, weil die Kräfte dieser hochgerüsteten Nation nicht ausreichen für das Feuer. "Es stimmt, wir haben keine eigenen Löschflugzeuge", sagt Generalmajor Ido Nehuschtan, der als Chef der Luftwaffe für die Koordination der Löscharbeiten verantwortlich ist. Eben noch hatte er die ausländischen Piloten in ihren Einsatz verabschiedet mit dem bühnenreifen Satz: "The sky is yours", der Himmel gehört euch. Nun steht er auf dem Aussichtshügel wie ein Feldherr, wie ein trauriger allerdings. Die Stirn zerfurcht von der nächtlichen Krisensitzungen, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, sagt er: "Was wir sehen, ist eine große Tragödie."
Im Angesicht des flammenden Unglücks darf sich Israel einer Solidarität sicher sein, die sonst nicht selbstverständlich ist. Viele Länder, darunter auch Jordanien und Ägypten, schicken Hilfe, US-Präsident Barack Obama verspricht Rückenstärkung, doch besonders gefreut hat man sich über eine Geste aus Ankara. Trotz der angespannten Beziehungen schickt die Türkei Löschflugzeuge - und zur Gruppendynamik dieses grenzüberschreitenden Hilfseinsatzes gehört es wohl auch, dass sich die deutsche Regierung des Vermittlungsdienstes rühmt. Weil sich obendrein allein aus Berlin noch Bundespräsident Christian Wulff, Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle gemeldet haben, kommen Israels Politiker womöglich vor lauter Unterstützung kaum noch dazu, selbst einzugreifen.
"Wir haben es mit einem Desaster von internationalem Ausmaß zu tun", sagt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einer Krisensitzung seines Kabinetts. Noch bevor er mit dem Hubschrauber ins Katastrophengebiet fliegt, verspricht er einen "nationalen Plan" zum Wiederaufbau der Karmel-Region, und die Feuerwehr will er sowieso besser ausstatten. Im dichten Rauch an einer Straßensperre zum Karmel-Gebirge steht derweil ein Bursche namens Tomer Cohen und blickt verzweifelt auf eine Landkarte. Er zeigt, wo es überall brennt, er kennt sich aus, es ist sein Wandergebiet an fast jedem Wochenende. "Es war so eine grüne Gegend", sagt er, "wir haben doch nicht so viel Grün in Israel."