Verschollene Malaysia-Airlines-Maschine:Gesucht: Eine Spur von MH370

Lesezeit: 6 min

Ein Frau betet in Kuala Lumpur für die Passagiere von Flug MH370. (Foto: REUTERS)

26 Länder sind an der Suche nach der verschollenen Passagiermaschine beteiligt. Eine Fläche so groß wie Australien muss akribisch gescannt werden. Mit welchen Schwierigkeiten haben die Experten zu kämpfen? Und was passiert, wenn tatsächlich Wrackteile gefunden werden?

Ein Überblick von Oliver Klasen und Jana Stegemann

Am 8. März um 1.19 Uhr empfängt die malaysische Bodenkontrolle den Funkspruch "All right, good night" von der Maschine des Malaysia-Airlines-Fluges MH370. Seitdem fehlt von der Boeing 777 mit 239 Menschen an Bord jede Spur. Mittlerweile suchen 26 Länder nach der Maschine. Aber auch elf Tage später gibt es kaum Fortschritte. Die schwierige Suche im Überblick.

Wo wird gesucht?

Die Suche nach dem vermissten malaysischen Passagierflugzeug findet inzwischen auf einer Fläche statt, die etwas größer ist als Australien. Die Suchregion umfasst nach Angaben des malaysische Verkehrsministers Hushamuddin Hussei nun insgesamt 2,24 Millionen Quadratseemeilen (etwa 7,7 Millionen Quadratkilometer). Das entspricht etwa 22 Mal der Fläche der Bundesrepublik. Allein im Indischen Ozean wird - etwa 3000 Kilometer südwestlich der australischen Stadt Perth - auf einer Fläche von 600 000 Quadratkilometern nach dem Flugzeug gesucht. Insgesamt reicht das Suchgebiet von Kasachstan über Westchina bis hin zum Indischen Ozean westlich von Australien. Koordiniert wird die Suchaktion offiziell von den malaysischen Behörden; wegen ihres Know-Hows und ihrer Ausstattung spielen jedoch die Expertenteams aus Australien und China die wichtigste Rolle. ( Die New York Times hat das Suchareal in einer Grafik aufbereitet.)

Warum ist die Suche auf dem offenen Meer so schwierig?

Die Suche nach einem Flugzeug oder - was im Falle eines Absturzes wahrscheinlicher ist - nach Wrackteilen oder Leichen, die auf dem Wasser treiben, ist in einem derart großen Gebiet extrem schwierig. Im Indischen Ozean werden sowohl Flugzeuge als auch Schiffe eingesetzt. "Selbst bei optimalen Wetterbedingungen, also ruhiger See und guter Fernsicht, lassen sich maximal fünf bis zehn Kilometer rechts und links der Brücke überblicken", sagt Marco Sieg, Fregattenkapitän im Flottenkomando der Marine im schleswig-holsteinischen Glücksburg. Meist sei die Suchbreite deutlich geringer. Auch Hubschrauber oder tieffliegende Flugzeuge, die mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind, schafften oft nur einen etwa 1000 Meter breiten Streifen. "Nadel im Heuhaufen", dieses Sprichwort verwendet Sieg mehrmals, wenn er von der Suche nach MH370 spricht. Bei Gebieten von der Größenordnung des aktuellen Falls, sei höchstens eine systematische Suche mit mehreren Schiffen erfolgversprechend, die gleichzeitig in eine Richtung steuern. "Das Beste wäre, wenn es eine Rettungsinsel gäbe, nach der man suchen könnte. Viele Flugzeug-Notrutschen können auch als Rettungsinseln fungieren. Sie haben Radarreflektoren und lassen sich aufspüren", sagt der Fregattenkapitän. Doch elf Tage nach dem Verschwinden der Maschine ist diese Version extrem unwahrscheinlich.

Verschollenes Malaysia-Airlines-Flugzeug
:Zehn Szenarien, null Gewissheit

Ist die Boeing 777 unbemerkt an einem geheimen Ort gelandet? Ist sie im Ganzen gesunken? Oder in einen plötzlichen Wetterumschwung geraten? Zehn Theorien um das Verschwinden des Malaysia-Airlines-Fliegers und wie sie zu bewerten sind.

Von Oliver Klasen und Lena Jakat

Wie werden Satelliten- und Radardaten bei der Suche genutzt?

Als sicher gilt mittlerweile, dass der Transponder an Bord der Boeing 777 abgeschaltet wurde. Der Transponder kommuniziert mit dem Bodenradar, schickt unter anderem Daten zu Flughöhe, Geschwindigkeit und Position. Wenn dieser abgeschaltet wird, kann ein Flugobjekt jedoch noch immer per Radar erfasst werden, solange es über Land fliegt. Über dem offenenen Meer gibt es, wenn überhaupt, dagegen nur vereinzelt militärische Radare. Die Auswertung dieser Systeme ist zwar möglich, sorgte jedoch bereits für Ärger zwischen an der Suche beteiligten Ländern. China kritisierte die Informationspolitik der malaysischen Behörden scharf und beklagte einen Mangel an zeitgemäßen Informationen und massive Vergeudung von Ressourcen.

Malaysias Verkehrsminister Hussein versicherte, dass sein Land keine Kenntnisse zurückhalte. Man könne aber nur Informationen bekannt geben, die verifiziert seien und die die laufenden Ermittlungen nicht beeinträchtigten, sagte er. Dazu muss man wissen: Militärische Radarsysteme sind sehr sensibel und lassen Rückschlüsse auf die Verteidigungs- und Überwachungsmöglichkeiten des jeweiligen Landes zu. Klar ist, dass Malaysia sein jetziges Militärradarsystem nicht wird weiterverwenden können - zuviel ist über Interna und exakte Merkmale des Systems mittlerweile nach außen gedrungen. Für unwahrscheinlich halten Experten auch, dass die Boeing 777 unbemerkt über China flog, immerhin hat das Land eines der engmaschigsten Flugüberwachungssysteme der Welt. Kaum denkbar, dass sich das Flugzeug lange unangemeldet im chinesischen Luftraum hätte aufhalten können ohne für erhebliches Aufsehen bei den dortigen Behörden zu sorgen. So wird von Experten der südliche Korridor des Suchgebiets als derzeit vielversprechender angesehen.

Der malaysische Verkehrsminister räumte indes Probleme bei der Koordinierung der Suche ein. Teilweise stehe noch die "diplomatische Genehmigung zum Beginn der Einsätze" aus. Zuvor hatte Indonesien eingeräumt, es habe erst jetzt Australien, Japan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Malaysia die Überflugrechte für Aufklärungsflüge gewährt.

Malaysia-Airlines-Flug MH370
:Wie kann ein Flugzeug einfach so verschwinden?

Keine Funksignale, kein Notruf, keine Wrackteile: Von der Malaysia-Airlines-Maschine fehlt fünf Tage nach dem vermuteten Absturz jede Spur. Dass eine riesige Boeing 777 einfach so verschwindet, gibt Rätsel auf. Dafür gedeihen Spekulationen und abstruse Theorien. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Jens Flottau

Wie können Laien bei der Suche helfen?

Unterstützt werden die Ermittler auch von Millionen Internetnutzern, die Satellitenbilder des Suchgebiets auswerten. Die Plattform DigitalGlobe stellt immer wieder ihre Satellitenbilder zur Verfügung, zuletzt etwa nach dem Taifun Haiyan. Die Beteiligung an der Suche nach dem Malaysia-Airlines-Flugzeug war seit der Aktivierung der Online-Plattform Tomnod am 11. März so groß, dass zeitweilig der Server zusammenbrach. Mehr als drei Millionen Nutzer beteiligten sich seit vergangener Woche an der Online-Suche, teilte DigitalGlobe am Montag mit. Nutzer, die meinen Wrackteile oder einen Ölteppich auszumachen, setzen eine Markierung und helfen den Behörden so, das Suchgebiet weiter einzugrenzen. Mit einem Programm namens CrowdRank filtert DigitalGlobe die vielversprechendsten Hinweise heraus, etwa, wenn es an einem Ort mehrere Markierungen gibt.

Wie ist die Suche zwischen den Ländern organisiert?

Angenommen, es stellt sich heraus, dass Flug MH370 tatsächlich verunglückt ist: Die Untersuchung des Flugunfalls ist im Annex 13 des Chicagoer Abkommens ( hier im Wortlaut) geregelt. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde 1944 geschlossen und enthält Bestimmungen über die zivile Luftfahrt. Mittlerweile haben ihn fast alle Länder der Welt unterzeichnet. Grundsätzlich ist dort festgelegt, dass bei der Untersuchung von Unfällen und schweren Störungen dasjenige Land zuständig ist, in dem sich der Vorfall ereignet hat ( State of Occurrence, wie es im Vertragstext heißt). Wenn, wie bei MH370, nicht klar ist, wo sich ein eventuelles Unglück ereignet hat oder wenn sich herausstellt, dass das Unglück in internationalen Gewässern geschah, die nicht zum Hoheitsgebiet eines Staates gehören, dann ist derjenige Staat zuständig, in dem das Flugzeug registriert ist ( State of Registry). Das ist in diesem Fall Malaysia. Die dortige Regierung koordiniert die Suchaktionen und hat auch die Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informieren.

"Allerdings können Aufgaben auch an andere Staaten delegiert werden", erklärt Jens Friedemann von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig. Im Chicagoer Abkommen sei vorgesehen, dass auch das Land, in dem das Flugzeug hergestellt wurde, sich einbringen könne (im Falle einer Boeing 777 also die USA). Und natürlich hätten auch jene Nationen besondere Rechte, die Opfer zu beklagen haben, wie im aktuellen Fall mutmaßlich China. Jedes Land, das etwas beitragen könne, werde bei Bedarf eingeschaltet. So habe man zum Beispiel einen Experten von Air France, der bei der Bergung von Wrackteile des 2009 vor Brasilien abgestürzten Airbus beteiligt war, nach Malaysia geschickt. Die deutsche BFU ist an der Suche nach MH370, anders als im Fall der Air-France-Maschine, bisher nicht beteiligt.

Warum meldeten sich die Passagiere nicht per Handy?

Mögliche Wrackteile von MH370
:Norwegisches Schiff erreicht die Fundstelle

+++ Satellitenbilder zeigen ein 24 Meter langes Objekt im Ozean südwestlich von Perth +++ Schlechtes Wetter erschwert die Suche +++ Norwegisches Schiff erreicht die Region, intensive Suche kann jedoch erst bei Tagesanbruch begionnen +++

Die Entwicklungen im Newsblog

Als am 11. September 2001 im amerikanischen Luftraum vier Flugzeuge entführt wurden, setzten Passagiere und Crew teilweise noch Hilferufe per Handy ab. Warum versuchte keiner der 239 Passagiere und Crewmitglieder von MH370 mit seinem Mobiltelefon Kontakt aufzunehmen? Nach Angaben von Experten gibt es dafür drei Gründe: Die Maschine könnte demnach zu hoch oder über Wasser geflogen sein. Um Handys überhaupt nutzen zu können, muss es einen Kontakt zwischen dem Telefon und dem Netzwerk geben - auch "Handshake" (Handschlag) genannt. Dafür muss jedoch das Signal von Leitungsmast und Handy stark genug sein.

Ohne Verstärker aber sei ein Handy in einer Passagiermaschine nur bis zu einer Flughöhe von etwa 500 Metern einsatzfähig - und das auch nur mit einem Mobilfunkmasten in der Nähe, sagt der emeritierte Informatikprofessor an der kanadischen University of Western Ontario, Alexander Keewatin Dewdney. Auch bei normaler Reiseflughöhe über Land sei es kaum möglich Empfang herzustellen. Dewdney und andere Experten weisen darauf hin, dass die entführten Maschinen während der September-Anschläge relativ niedrig und über Gebiete mit dichtem Handy-Netz flogen. Darüber hinaus gehen die Experten davon aus, dass die meisten Anrufe damals nicht von Handys abgesetzt wurden, sondern von Telefonen, die fest in den Rücksitzen installiert waren.

Einige Fluggesellschaften verfügen inzwischen über eine Technik, die mithilfe einer eigenen Basisstation an Bord die Nutzung von Handys während des Flugs ermöglicht. Laut Malaysia Airlines bot Flug MH370 diese Möglichkeit aber nicht. Auch, dass einige Angehörige chinesischen Medienberichten zufolge die Handys ihrer vermissten Verwandten zum Klingeln gebracht haben wollen, bedeutet laut den Experten nicht unbedingt, dass die Geräte noch funktionierten. Airline-Chef Ahmad Jauhari Yahya sagte, nichts deute daraufhin, dass Passagieren versucht hätten zu telefonieren.

Mit Material von dpa und APF

Linktipp:

Die Entwicklungen im Newsblog.

Warum uns das Verschwinden der Malaysia-Airlines-Maschine so bewegt.Ein Kommentar von SZ-Redakteur Jan Heidtmann.

Zehn Szenarien, null Gewissheit: Spekulationen über das Verschwinden des Flugzeugs und wie sie zu bewerten sind. Ein Überblick der SZ.de-Mitarbeiter Lena Jakat und Oliver Klasen.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: