Verkehrssicherheit:Merkwürdige Ideen für Deutschlands gefährlichste Autobahn

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Dicht an dicht: Lastwagen auf der A2 bei Lehrte. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • In Niedersachen wird derzeit über die Sicherheit auf Autobahnen gestritten.
  • Die zuständige Straßenbaubehörde überraschte mit einem ungewöhnlichen Schritt. Sie zog eine Expertin für Elfen zu Rate. Das Verkehrsministerium in Hannover ist verärgert.
  • Lokalpolitiker sehen vor allem die vielen Baustellen als Gefahr.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Die Geschichte von der Elfenbeauftragten und der Tierkommunikatorin amüsierte gerade die Republik und verärgerte Niedersachsens Regierung, da wurde es schon wieder todernst auf der Autobahn A 2. Bei Peine fuhr zu Wochenbeginn erst ein Kleintransporter in einen russischen Sattelschlepper, der wegen einer Baustelle mit Stau gebremst hatte. Dann krachte ein polnischer Lkw in den stehenden Lastwagen. Dessen 56 Jahre alter Fahrer wurde eingeklemmt und mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus geflogen.

Es war ein klassisches Unglück an einer der unfallreichsten Verkehrsadern Deutschlands, der Achse von Ost nach West, täglich gefüllt von 125 000 Fahrzeugen. Anschließend wurde der Stau noch länger, drei Pkw kollidierten, es gab zwei weitere Verletzte, die A 2 musste bis in den Mittag hinein gesperrt werden. Karambolagen wie diese prägen den Ruf der A 2, die vor allem zwischen Braunschweig und Hannover eine der gefährlichsten Pisten der Nation ist: Elf Tote hat die Polizei auf dieser Strecke in diesem Jahr bereits registriert und allein bis Ende Mai 766 Unfälle.

Die Tragödien sind auch der Grund, weshalb die niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eine selbsternannte Expertin für Trolle, Elfen und Zwerge zu Rate zog sowie eine Frau, die mit Tieren zu sprechen glaubt. Durch gutes Zureden sollten an den einschlägigen Passagen der Unfallserie Wildschweine oder Fabelwesen beruhigt werden. Das Publikum staunte, die Politik bestellte die Beamten umgehend zum Rapport. Das Verkehrsministerium in Hannover "hält Spiritualität nicht für ein geeignetes Mittel, um den Straßenverkehr sicherer zu machen".

Was aber ist das geeignete Mittel, um diese überfüllte und nahezu ununterbrochen reparaturbedürftige Route sicherer zu machen? Warum ist diese A 2 so furchtbar unsicher? Davon kann zum Beispiel Dirk Werner berichten, SPD-Bürgermeister von Hämelerwald, einem Ortsteil von Lehrte, gleich neben Peine. An der Anschlussstelle Hämelerwald passiert besonders viel, deshalb schickten Werner und seine Kollegen im Januar 2018 einen Brandbrief nach Hannover. Dieser Unfallschwerpunkt sei "nicht länger hinnehmbar", klagten sie. Die ständigen Baustellen nannten die Kritiker eine "Operation am offenen Herzen", sie müssten dringend besser koordiniert werden. Am Telefon sagt Dirk Werner jetzt: "Gefühlt wird hier in einer Tour gebaut", gerade wieder.

Ein Tempolimit ist unbeliebt

Er kennt die Ursachen für die permanenten Karambolagen. Baustellen, Engpässe, Stauende - Unfall. Zu viel Verkehr, jedes vierte Fahrzeug auf der A 2 ist ein Lkw, häufig aus Osteuropa. Zu wenig Abstand, zu müde oder abgelenkte Fahrer, zu spätes Bremsen. Zu spüren bekommen das auch die Freiwilligen Feuerwehren der Umgebung, wenn sie wieder zu einer Blechlawine der A 2 ausrücken müssen. Die Verkehrswacht Hannover hat ein Tempolimit angeregt, das Thema ist aber nicht so beliebt in einer Kernregion der deutschen Automobilindustrie. Obwohl insgesamt jeder vierte Verkehrstod 2017 in Niedersachsen mit überhöhter Geschwindigkeit zu tun hatte.

Ministerium und ADAC lehnen eine feste Beschränkung ab. Das bringe hier nichts, sagt Niedersachsens ADAC-Sprecherin Christine Rettig, die meisten Lkw seien an den neuralgischen Punkten nicht so schnell unterwegs. Doch ihr fällt auf, dass viele Lkw-Unfälle zu Uhrzeiten passierten, an denen die Fahrer anscheinend erschöpft sind. ADAC und Verkehrsministerium fordern einen konsequenteren Einsatz des Notfallbremsassistenten. Der Minister und VW-Aufsichtsrat Bernd Althusmann (CDU) verspricht besseres Baustellenmanagement - und sagte im Mai auch diesen Satz: "Autobahnen sind mit etwa zehn Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle statistisch nach wie vor die sichersten Straßen in Deutschland." Das war vor dem Einsatz der Elfenberaterin und weiterem Unheil auf der A 2.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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