Ernährung:Verliebt in einen Veganer

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Er liebt Gemüse, sie Fleisch. Beide lieben einander trotzdem. (Foto: Cynthia Kittler)

Sie liebt Fleisch. Er nicht. Manchmal sind die Fronten so einfach erklärt. Und trotzdem kompliziert. Der Versuch einer friedlichen Lösung.

Von Susanne Höll

Schicksalsschlag ist ein großes Wort, natürlich. Aber wie sonst soll man ein Ereignis nennen, das das erfreulich traute Zusammensein mit dem Lebensmann erschüttert? Der nämlich hatte sich vor drei Jahren entschlossen, ein neues Leben zu führen und sich fürderhin streng vegan zu ernähren. Fleisch war seine Sache nie, was das gemeinsame Mahl aber nicht sonderlich erschwerte. Räuchersaibling und Lachsauflauf sind auch sehr lecker. Und nun? Bye-bye Quarkstollen und Schokomousse, adieu Eier und Butter, willkommen Tofu, Soja und Agar-Agar.

Kann das gut gehen zwischen einem weitgehend abstinenten Veganer und einer grundsätzlich karnivoren Frau mit Liebe zu Sahnesaucen und trockenem Riesling? Schließlich sind die geteilten Mahlzeiten mitsamt allfälliger Vorbereitungen für zwei berufstätige Menschen mit ziemlich ungeregelten Arbeitszeiten ein Grundpfeiler des gemeinsamen Lebens. In Sachen Essen spielt sich das in dieser Kombination dann hauptsächlich in den eigenen vier Wänden ab. Jenseits von Groß- und Universitätsstädten sind Restaurantbesuche mit einem Veganer schließlich meist sehr enttäuschend.

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Die nun schon längere häusliche Praxis zeigt: Ja, es kann gut gehen. Jedenfalls dann, wenn alle Beteiligten ein paar Regeln einhalten. Die erste und wichtigste lautet: Man macht dem anderen sein Essen nicht mies. Wenn sich auf dem Teller der einen neben dem Gemüseauflauf eine Salsiccia findet, hält der Lebensmann die Klappe. Umgekehrt sind Tofuwitze tabu. Wird diese Maßgabe eingehalten, kann man einträchtig gemeinsam ein Gericht zubereiten. Pizza, zum Beispiel. Der Hefeteig (selbstredend mit Sojamilch) mitsamt Tomatensauce ist kein Problem, Mozzarella kommt auf die eine, Gemüse auf die andere Seite. Ein schmaler Sicherheitsabstand zwischen den Belägen garantiert den häuslichen Frieden.

Die zweite Regel besagt, dass man nicht betrügt. Nie und nimmer! Der Versuch, den gemeinsamen Verzehr traditioneller Serviettenknödel aufrechtzuerhalten, ging schrecklich schief. Zwar wurde nicht gelogen, wohl aber verschwiegen, dass Eier im Teig waren. Als der Lebensmann dies herausfand, geriet die Beziehung zwischenzeitlich ins Wanken.

Allesesser sind zudem gut beraten, sich auf neue Geschmackserfahrungen einzulassen. Der Veganer bereitet die besten Bratkartoffeln der Welt zu, fast fettfrei. Mit Rote-Bete-Salat tatsächlich ein Genuss. Hilfreich für ein Zusammenleben in jedweden Partnerschaften ist Sinn für Humor, gepaart mit der Fähigkeit, sich mit einigermaßen Feingefühl über den anderen und sich selbst zu mokieren. Das gilt auch und gerade in Essensdingen.

Die Karnivore wird beim Verzehr eines Leberwurstbrots schon mal mit maliziösem Lächeln als "Mörderin" tituliert. Sie kontert gern mit dem Rat, er könne ihretwegen sehr gern mit den Schafen auf der Wiese grasen. Auf solch harmonischer Basis sind selbst gemeinsame Grillfeste möglich, allerdings mit zwei Feuerstellen. Die eine für das Fleisch, die zweite für Gemüse und Kartoffeln aus der Asche.

© SZ Plan W vom 6.4.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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