Familiensynode im Vatikan:Warum die katholische Kirche als Beziehungsexpertin versagt

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Louis and Zélie Martin, Eltern der heiligen Thérèse von Lisieux, wurden gerade als erstes Ehepaar heilig gesprochen. Wegen ihres vorbildlichen Lebens im 19. Jahrhundert. (Foto: REUTERS)

Die katholische Kirche hätte beim Thema Ehe und Familie einiges zu sagen. Doch sie vergibt diese Chance - weil sie letztlich ständig nur über Sex redet.

Von Matthias Drobinski

Beim Thema Ehe und Familie, über das sich gerade in Rom viele ältere Singles die Köpfe zerbrechen, hätte die katholische Kirche einiges zu sagen. Das geht bei der Heiligen Familie los: Maria ist schwanger, aber nicht von ihrem Verlobten. Josef steht trotzdem zu ihr; er flieht mit Frau und Kind vor den Mördern des Königs Herodes nach Ägypten. Das Kind, dieser Jesus, macht dann einige Sorgen. Mit zwölf ist er im Tempel verschwunden, mit 30 predigt er, statt zu arbeiten, und stößt seine Mutter harsch zurück. Die, inzwischen Witwe, hat am Ende ihren toten Sohn auf dem Schoß. Mit den kitschigen Bildern von der Heiligen Familie, die in den Schlafzimmern älterer frommer Katholiken hängen, hat das nichts zu tun.

Es hat eher mit dem zu tun, wie heute Paare und Familien leben. Sie leben in einer Welt der gebrochenen Lebensläufe und Flüchtlingsschicksale. In den armen Ländern zerstören traditionelles Machotum und die Kehrseiten der Globalisierung die Familie, in den reichen Ländern nagt der Individualismus an ihr. Und trotzdem ist diese Ehe ungebrochen attraktiv.

Jugendliche wünschen sich einen treuen Partner, mit dem sie Kinder haben. Die meisten Kinder werden in dieser Ehe groß. Homosexuelle kämpfen dafür, dieses Modell rechtlich abgesichert leben zu können. Und die oft bejammerte deutsche Scheidungsquote von 40 Prozent kann man auch so sehen: 60 Prozent gelingt das Unglaubliche. Sie bleiben zusammen.

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In dieser Welt könnte die katholische Kirche eine gute Beziehungsexpertin sein. Sie kennt die Verhältnisse im Senegal wie in Seattle, in Manila wie in München; sie vereint Millionen Paare und Familien. Und doch vergibt diese Kirche diese Chance. Sie vergibt sie, weil sie letztlich doch ständig über Sex redet.

Viel schlimmer: Sie beurteilt Sexualität, weil sie diese ihr stets unheimliche Kraft kontrollieren möchte. Sex ist für sie nur in Ordnung, wenn er in der katholischen Ehe geschieht, aber bitte ohne künstliche Verhütung. Alles andere ist Sünde, egal, ob das schwule, wieder verheiratete oder unverheiratete Paar sich liebt und treu zueinander steht.

270 Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle tagen in Rom

Das geht auch am Leben der meisten Katholiken weit vorbei. Schlimmer aber ist, dass die katholische Kirche so einen wichtigen Teil des Menschseins abwertet: Sexualität und Lust gehören zum Menschen; wer ihn als Geschöpf Gottes begreift, muss auch Lust und Sexualität als Gabe Gottes sehen, nicht nur als notwendiges Übel - und nicht nur innerhalb eines Käfigs, wo man dieses schrecklich wilde Tier für einigermaßen gebändigt hält.

Diese ängstliche und verkrampfte Tabuisierung hat die katholische Kirche dort sprachunfähig gemacht, wo sie durchaus reden sollte, über die Kommerzialisierung der Sexualität, über Macht, Gewalt und Druck. Und die Tabuisierung macht auch die Herren, die da gerade in Rom reden, latent unglaubwürdig. Daher die große Aufmerksamkeit für den Priester aus der Glaubenskongregation, der sich als schwul outete. Er gilt als Symptom des Syndroms.

Dass die 270 Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle tatsächlich ehrlich über Sexualität reden, ist wenig wahrscheinlich. Es wäre schon viel gewonnen, wenn sie der Berliner Familienberaterin Ute Eberl folgen würden, die ihnen vor einem Jahr empfohlen hatte, zuerst ins Wohnzimmer der Familien zu schauen und nicht ins Schlafzimmer - Schweigen und weniger Selbstsicherheit wären schon ein Fortschritt.

An diesem Sonntag hat Papst Franziskus die Eltern der Heiligen Therese von Lisieux heilig gesprochen, als vorbildliche Eltern. Die beiden hatten sich erst eine Ehe ohne Sex versprochen. Auf Anraten eines Beichtvaters zeugten sie dann doch neun Kinder; fünf Mädchen überlebten das Kleinkindalter und wurden Nonnen. Ein Vorbild für heute? Der Weg ist weit.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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