Urteil im Schlafwandel-Prozess:Bewährungsstrafe für Ex-Staatsanwalt - "Sexsomnia schließen wir aus"

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Der Angeklagte (rechts) sitzt vor Beginn des Prozesses im Gerichtssaal. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Das Landgericht Lübeck spricht den Juristen wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung schuldig. Die Richterin verhängt eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten.

Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch seines Sohnes hat das Landgericht Lübeck einen Ex-Staatsanwalt zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Davon gelten vier Monate bereits als verbüßt, wie die Vorsitzende Richterin Helga von Lukowicz bei ihrer Urteilsbegründung sagte. Den früheren Aussagen des ehemaligen Anklagevertreters, denen zufolge er die Tat im Schlaf begangen haben will, glaubt die 7. Große Strafkammer somit nicht. "Sexsomnia schließen wir aus", betonte die Vorsitzende Richterin.

Der frühere Staatsanwalt hatte sich seit Ende Januar in einem ungewöhnlichen Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs vor dem Landgericht Lübeck verantworten müssen. Während der vergangenen Verhandlungstage wollte sich der Jurist nicht zu den Vorwürfen äußern - anders als während der Ermittlungen. Damals hatte er angegeben, sich an die mutmaßliche Tat Ende März 2019 nicht zu erinnern. Später behauptete er, in der Nacht geschlafwandelt zu sein.

Laut Anklage soll der ehemalige Staatsanwalt, der mit seinem damals acht Jahre alten Sohn in einem Bett schlief, Ende März 2019 an dem Kind sexuelle Handlungen vorgenommen haben. Als ihn seine Ehefrau am nächsten Morgen mit den Vorwürfen konfrontierte, habe der Angeklagte keine Erinnerung mehr an den Vorfall gehabt. Später zeigte er sich selbst an. Seine Frau reichte die Scheidung ein.

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Der Staatsanwalt und die Verteidigung des Angeklagten hatten jeweils einen Freispruch in dem Fall gefordert. Die Nebenklage hatte in ihrem Schlussantrag dagegen auf eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs plädiert, aber ohne konkretes Strafmaß. Richterin von Lukowicz betonte schließlich: "Wir gehen davon aus, dass die Tat als dysfunktionale Bewältigungsstrategie zu verstehen ist." Der Mann habe beruflich unter Druck gestanden, und die Ehe sei am Ende gewesen. "Der gewaltsame Missbrauch des Sohnes gab ihm für einen Moment das Machtgefühl zurück." Es habe sich um eine Spontan-Tat in einer Situation besonderer Belastung gehandelt.

Lange Zeit hatte es nicht so ausgesehen, als müsse sich der frühere Anklagevertreter in dem Fall überhaupt vor einem Gericht verantworten. Denn sowohl die Kieler Staatsanwaltschaft selbst als auch die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein sahen eine Verurteilung des Juristen als nicht wahrscheinlich an. Unbestritten war laut Behörde aber, dass eine Handlung stattgefunden hat. Die Mutter des Kindes ließ jedoch prüfen, ob die Einstellung des Verfahrens richtig war und hatte in dem sogenannten Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Deshalb musste die Staatsanwaltschaft Anklage erheben.

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