Unwetter in Brasilien:Tödlicher Regen

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Wassermassen und Erdrutsche reißen alles mit, was ihnen im Weg ist: In den Bergen Brasiliens sterben hunderte Menschen nach verheerenden Unwettern.

Peter Burghardt

Ein schöner Sommer hätte es werden sollen, in Rio de Janeiro und Umgebung. Noch vier Jahre bis zur Fußball-WM, noch sechs Jahre bis Olympia, und bald steht wieder der Karneval bevor. Auch diese Region mit ihrer Traumstadt unter Zuckerhut und Corcovado profitiert von Brasiliens Boom - Rios Drogenhändler in den Favelas wurden zuletzt erfolgreich bekämpft. Und wem es zu heiß wird, in diesen wärmsten Wochen der Saison, der zieht von den Stränden in die kühleren Berge.

Nach schweren Regenfällen reißen Wassermassen und Erdrutsche alles mit, was ihnen im Weg ist. (Foto: dpa)

Doch seit Dienstag herrscht Schrecken in der Sommerfrische. Mehr als 360 Menschen starben in den Gegenden von Nova Friburgo, Teresópolis und Petrópolis. Nach schweren Regenfällen reißen Wassermassen und Erdrutsche alles mit, was ihnen im Weg ist.

Allein Dienstag und Mittwoch kam in der sogenannten Serrana mehr Niederschlag vom Himmel als sonst im gesamten Januar, und es regnet weiter. Satellitenbilder der Nasa zeigen Wolkenmassen, vergleichbar mit denen über den Notstandsgebieten Australiens. Bäche und Straßen werden zu Strömen, Schlammlawinen begraben Häuser und Autos. Manche Bewohner retten sich auf Bäume, andere ertrinken oder werden zerdrückt.

Auch die Bundesstaaten Minas Gerais und Sao Paulo leiden unter den Unwettern, auch dort werden Tote gemeldet. Die Szenen erinnern an das Jahr 2010, als ebenfalls Städte und Felder überschwemmt und Hütten der Armenviertel von Rio die Hänge hinabgespült wurden. Für das bergige Hinterland der Cidade Maravilhosa, der "Wunderbaren Stadt", wird der tropische Regen zur tödlichen Gefahr.

In Teresópolis mit seinen 150000 Bewohnern auf fast 900 Höhenmetern ist das Gebäude der Gerichtsmedizin überfüllt. "Eine ungeheuere Katastrophe", sagt der Bürgermeister Jorge Sedlacek, allein in seinem Revier wurden zuletzt 148 Leichen gezählt. In Nova Friburgo kamen mindestens 168 Menschen ums Leben, darunter drei Feuerwehrmänner. Ganze Viertel wurden hinweggespült, eine Sporthalle dient als Notunterkunft. "Die Situation ist verheerend", klagt Vize-Gouverneur Luiz Fernando Pezao.

Strom und Telefon sind vielerorts ausgefallen, kleinere Gemeinden können auf dem Landweg nicht mehr erreicht werden. Die Ortschaft Areal wurde zu 70 Prozent zerstört. Petrópolis meldet mindestens 36 Tote. Hier entkamen früher die Kaiser Pedro I. und Pedro II. der Hitze, hier fand der Schriftsteller Stefan Zweig 1940 sein Exil und beging 1942 Selbstmord. Seine sterblichen Reste liegen auf dem städtischen Friedhof, wo jetzt Opfer dieser Tragödie begraben werden.

Brasiliens Zivilschutz entsendet Rettungskräfte, das Gesundheitsministerium liefert sieben Tonnen Medikamente. Überlebende werden zu Blutspenden aufgefordert, sammeln Kleidung und verteilen Trinkwasser. Die Marine schickt Hubschrauber, in einem sitzt Dilma Rousseff, seit 1. Januar Präsidentin des größten Landes Lateinamerikas. Sie soll die Erfolgsbilanz ihres umschwärmten Vorgängers Lula fortsetzen, doch ihre Ära beginnt mit einem Naturdesaster. 780 Millionen Reáis will die Regierung den Betroffenen zur Verfügung stellen, knapp 350Millionen Euro.

Als eine Ursache der Sintflut gilt das Klimaphänomen La Niña, das auch in Kolumbien und Venezuela für verheerendes Hochwasser gesorgt hatte und in anderen Bereichen wie der argentinischen Pampa für Dürre. Die Natur allein sei aber nicht schuld, glaubt Brasiliens Umweltminister Carlos Minc. Er spricht von "historischen Unverantwortlichkeiten mehrerer Bürgermeister", denn es wurde oft schlecht gebaut und wenig Vorsorge getroffen.

Das brasilianische Fernsehen zeigt dramatische Bilder, eine Frau wird mit einem Seil aus braunem Wasser auf ein Hausdach gezogen. Und eine Mutter aus Teresópolis erzählte der Zeitung O Estado do Sao Paulo, wie sie ihren Buben verlor. "Ich steckte unter der Erde fest und hörte meinen Sohn rufen: Mama, wo bist du?", bis seine Stimme erstarb.

© SZ vom 14.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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