Tod bei illegalem Autorennen:Tatwaffe Sportwagen

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Ende einer Hochgeschwindigkeitsfahrt: Das Wrack des ausgebrannten Lamborghinis auf der Autobahn 66 bei Hofheim am Taunus. (Foto: Robin von Gilgenheim/dpa)

Drei Männer in ihren Boliden liefern sich offenbar ein Rennen auf der Autobahn, eine unbeteiligte Frau stirbt. Die Polizei ermittelt wegen Mordes. Der Knackpunkt in der Beweisführung: Wo ist der Vorsatz?

Von Moritz Geier

Zwei Momente, der Moment kurz vorher und der Moment kurz danach, sind auf Handyaufnahmen eingefangen, verwackelte Beweisstücke, gefilmt vom Beifahrersitz eines fahrenden Autos, das am vergangenen Samstag unterwegs war auf der A66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt. Drei Sportwagen überholen den Filmenden, einer schwarz, einer weiß, einer hellblau, dröhnende Boliden auf dem Weg ins Unglück. Wie Slalomstangen umkurven sie die Autos auf der vollen Autobahn, auf der linken Seite, auf der rechten, allen Regeln enthoben.

Die zweite Aufnahme ist anders, der Verkehr steht, loser Stau. Die Kamera zoomt ein paar Autoreihen vor. Schwarz und steil wabert Rauch in die Luft.

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Irgendwo zwischen diesen beiden Momenten ist ein Mensch gestorben, und natürlich ist jetzt die Aufregung groß im Land. Weil eine Unschuldige tot ist, ihre Identität ist noch ungeklärt. Weil drei Männer ihre getunten Protzkarren über die Autobahn jagten, als wäre das Leben ein Computerspiel. Und weil am Montag der Boulevard seinen Lesern einen der Fahrer auch noch als angeblichen "Instagram-Star" verkaufte. Spielte da also einer, so die Implikation, mit dem Leben anderer Menschen aus bloßem Selbstdarstellungsdrang?

1,1 Millionen Follower auf Instagram und dennoch kein Star

Ein Star, so viel ist klar, ist Navid A. sicher nicht, auch wenn ihm auf Instagram 1,1 Millionen Menschen folgen. Solche Zahlen lassen sich in den sozialen Medien manipulieren, und wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, soll der 29-Jährige, Gerüchten zufolge, mit dem Verkauf von Instagram-Followern selbst Geld verdienen. Nur neun Bilder sind auf seinem Profil zu finden, darin stellt sich A. als lässiger Geschäftsmann dar, mal mit Hund, mal mit Sonnenbrille, mal mit Kaffeegetränk. Und immer wieder: mit flachen Batmobil-haften Rennkarren, die ihre Türen wie Flügel öffnen.

Wie mehrere Medien berichteten, saß Navid. A. am Samstag in jenem schwarzen Lamborghini, der im Video zu sehen ist, er verlor nahe Hofheim am Taunus die Kontrolle über den Wagen, weil er viel zu schnell war, prallte erst gegen die Mittelplanke, so steht es im Polizeibericht, und dann gegen einen Škoda, der am mutmaßlichen Rennen nicht beteiligt war. Beide Autos fingen Feuer, die Fahrerin des Škoda starb noch am Unfallort. A. kam verletzt ins Krankenhaus, wurde behandelt und dann festgenommen.

Der zweite Teilnehmer des mutmaßlichen Rennens, ein 26-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen, fuhr nach dem Unfall in seinem hellblauen Porsche noch bis nach Aachen weiter, erst dort stellte er sich der Polizei. Auf der Flucht ist dagegen auch am dritten Tag nach dem Unfall der Fahrer des weißen Lamborghini. Mit Fotos fahndet die Polizei seit Montagabend nach dem 34-jährigen Ramsy A., einem Mann, der nach bisherigen Erkenntnissen keinen festen Wohnsitz hat. Seinen angeblich in Dubai registrierten Wagen fand die Polizei am Samstag nach dem Unfall in einem Stadtteil von Hofheim.

Gegen Ramsy A. und die anderen beiden Männer wurden am Montag Haftbefehle erlassen, die Behörden ermitteln wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen sowie mit gemeingefährlichen Mitteln. Der Hauptbeschuldigte Navid A. hat sich bisher nicht zur Tat eingelassen, genau wie der 26-Jährige aus Nordrhein-Westfalen: Beide sitzen in Untersuchungshaft und schweigen.

Der Fall der Ku'damm-Raser ging bis vor den BGH

Ihnen drohen harte Strafen, denn die Justiz hat in den vergangenen Jahren ein Exempel statuiert, das als Warnsignal an die Szene interpretiert worden ist: Rücksichtslose Raser, die tödliche Unfälle verursachen, können jetzt wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt werden, der härtesten Strafe also, die das Strafgesetzbuch zu bieten hat. Der Fall der sogenannten Ku'damm-Raser, die 2017 in Berlin verurteilt worden waren, ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). Mittlerweile ist das Urteil wegen Mordes gegen einen von ihnen rechtskräftig. Der andere Mann steht derzeit in Berlin vor Gericht, das Urteil gegen ihn hatte der BGH aufgehoben.

Bei seiner Rechtsprechung hatte der BGH klargestellt, dass der Mordparagraf im Straßenverkehr nur in sehr seltenen und extremen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen ist. Vor allem geht es dabei um die Frage nach dem Vorsatz. "Der Täter muss sich mit dem Tod eines anderen abfinden. Es muss ihm zumindest gleichgültig sein", hatten die BGH-Richter im Berliner Fall erklärt. Eine feine Trennlinie - und ein schwer zu erbringender Nachweis, den sich die Ermittler in Frankfurt und Hofheim da vorgenommen haben.

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