In der Stunde seiner größten Schmach steht Bettina Wulff seltsam weit entfernt von ihrem Mann, als wäre sie seine Assistentin oder eine Mitarbeiterin des Bundespräsidialamtes, die während des Pressestatements für Ordnung sorgen soll, und nicht die Ehefrau des Bundespräsidenten. Es ist der 17. Februar 2012 und Christian Wulff erklärt in knappen Worten seinen Rücktritt vom höchsten Amt im Staate. Sie habe sich bewusst von ihrem Mann distanziert, um ihre Eigenständigkeit zu betonen, wird Bettina Wulff sieben Monate später in der Brigitte verkünden.
Obwohl laut geraunt wird, vergehen weitere vier Monate bis zum nächsten Rücktritt: Die Wulffs lassen ihr Eheversprechen ruhen. Schluss, aus, vorbei für das Erfolgsduo.
Bettina Wulff und die beiden Söhne sollen laut Bild-Zeitung zunächst in dem Haus in Großburgwedel wohnen bleiben, mit dem das ganze Schlammassel 2011 überhaupt erst angefangen hatte. Der Ex-Bundespräsident sei demnach schon ausgezogen, in eine Wohnung in Hannover. Von Scheidung ist nicht die Rede, ihrem Anwalt zufolge handelt es sich um eine einvernehmliche "räumliche Trennung."
Es ist eine Nachricht, mit der selbst die Boulevardpresse nach Wochen der Funkstille, abgesehen von einem vorweihnachtlichen Kurzauftritt als "ganz normale Familie", kaum noch gerechnet hatte. Doch eine Überraschung ist sie nicht. Vielmehr erscheint die Trennung der Wulffs ähnlich zwangsläufig wie der Rücktritt im Februar. Es ist der nächste logische Schritt in Ehefrau Bettinas öffentlicher Demontage ihrer Ehe, die in den vergangenen Monaten dem Motto zu folgen schien, "trenne sich wer kann".
Es ist schließlich eine Sache, ein Buch über das Werden und Vergehen als "First Lady" zu schreiben und so mit höchstens zweitrangigen Beobachtungen und Erfahrungen einer Politikergattin den Rahmen für die Diskussion über Wulffs Karriereende zu setzen. "Eine Michelle Obama ist nicht meine Freundin Silke, mit der ich ganz ungezwungen über Jobstress, Klamotten und Nachbarn plaudern kann", und "Ich war 16, Tom 24. Er war Rettungsschwimmer auf Sylt" gehören wohl zu den meistzitierten Sätzen aus Jenseits des Protokolls.
Aber es ist eine ganz andere Sache, dem Ehemann in diesem Buch die eigene Sicht des Skandals - "Statt peu à peu auf die Vorwürfe zu reagieren, wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, sich einmal umfassend zu erklären" - unter die Nase zu reiben. Wenn jemand die Kritik am eigenen Partner derart deutlich in ein anderes Buch schreibt als in sein Tagebuch, dann ist das keine Diskussion mehr. Sondern Destruktion.
Bettina Wulff setzt in Interviews mit diversen Illustrierten noch eins drauf. Sie offenbart ihre seelische Verfassung, berichtet von Magenschmerzen und davon, dass sie "viel geweint habe". Als sie schließlich öffentlich bekannt gibt, dass Christian und sie sich in therapeutischer Behandlung befänden, ist klar: Da bröckelt es ordentlich, bei den Wulffs, nicht nur an der Fassade des Einfamilienhauses in Großburgwedel. Sondern auch drinnen. Zu viel offenbar, was sich nicht mehr so einfach kitten lässt.
Als Jenseits des Protokolls erscheint, vollführt die Autorin - ganz jene PR-Frau, die Christian Wulff 2006 kennenlernte - einen medialen Rundumschlag, der seinesgleichen sucht. Die Zeitung, die so manchem Politiker als Herrschaftsinstrument gilt, druckt über mehrere Tage verteilt vorab Auszüge exklusiv. Und so sieht es auch nicht nach Zufall aus, dass die Bild-Zeitung an diesem Montag als erstes Medium die Trennung des Paares verkündet. Wenn die Wulffs nun aber über ihren Anwalt verlauten lassen, dass sie "keine weiteren Erklärungen zu ihrer privaten Situation abgeben" werden, so mag das gar nicht zur tränennassen Offenheit der vergangenen Monate passen. Die Wulffs bräuchten sich nicht zu wundern, wenn die mediale Öffentlichkeit, die sie in besseren Zeiten so sehr suchten, sie jetzt nicht in Ruhe ließe.
Ihre Beziehung war von Anfang an eine öffentliche. Die Pressereferentin Bettina Körner begegnete dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen im April 2006 im Flugzeug, auf einer Pressereise. In ihrer Autobiografie beschreibt sie die Szene später wie folgt: ",Guten Tag, darf ich mich vorstellen? Ich heiße Christian Wulff.' Die Situation hatte schon Slapstick-Züge."
Aus der Skepsis ihres Umfelds macht die Autorin kein Hehl: "sich dann aber auch noch in einen konservativen Politiker zu verlieben, ging eigentlich gar nicht". "Wenn schon ein Politiker, warum dann nicht einer von den Grünen oder der SPD? Aber der, der passt doch gar nicht in dein Leben, nicht zu unserem Leben."
Die Reaktionen auf die junge, blonde Frau, die keine zwei Jahre später ihren Familiennamen gegen den des CDU-Politikers tauschte und im Sommer 2008 den gemeinsamen Sohn zur Welt brachte, waren im besten Falle ebenso gemischt: sie reichten von gehässig bis skeptisch bis wohlwollend - ob der Frische, die die 34-Jährige dem seit jeher eher blassen Wulff verlieh. Beim Einzug ins Schloss Bellevue 2010 wurde die Präsidentengattin für ihre moderne Lebenseinstellung - Karrierefrau, Patchwork-Familie, Tattoos - eher gefeiert.
Als am 1. März 2011 dann auch noch mit den Guttenbergs Deutschlands glamourösestes Polit-Paar von der Berliner Showbühne verschwand, schien es eine Zeitlang, als könnten die Wulffs ihren Platz einnehmen.
Doch dann wurde ihnen eine Immobilie in Großburgwedel zum Verhängnis und alles kam ganz anders. Womöglich war die Kluft zwischen dem, was von den Wulffs erwartet wurde, dem, was sie vielleicht selbst erwarteten und den Ereignissen des vergangenen Jahres, zu groß geworden, als dass eine Beziehung es aushalten könnte.
Bettina Wulff hat in den vergangenen Monaten alles daran gesetzt, unabhängig von ihrem Ehemann wahrgenommen zu werden. Gelungen ist ihr das nur teilweise, noch immer ist sie stets die "Ex-First-Lady" - und für manche ein eher anstrengendes Relikt einer glücklicherweise längst vergangenen Amtszeit. Ob und wie sich das nun ändert, da sie jetzt tatsächlich "unabhängig" ist, darüber wird uns die Zeitung mit den vier Buchstaben schon auf dem Laufenden halten.