Astronomie:Finsterer Himmel, finstere Preise

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Die Rückkehr der Sofi-Brillen: Bei der ringförmigen Sonnenfinsternis am 14. Oktober konnten die Menschen in Nordamerika schon mal für das Spektakel im kommenden April üben. (Foto: Nathan Frandino/Reuters)

Wer die nächste totale Sonnenfinsternis im April 2024 erleben will, sollte sich beeilen: In den USA werden bezahlbare Hotelzimmer knapp.

Von Marcel Laskus

Zunächst ein kleiner Haftungsausschluss: Wenn diese Zeilen veröffentlicht sind, ist der folgende Tipp womöglich völlig veraltet. Zu schnell geht gerade alles, zu hoch ist die Nachfrage. Aber, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht haben Sie ja Glück. Das Motel 6 in der Stadt Russellville im US-Bundestaat Arkansas jedenfalls freut sich darauf, Sie vom 7. bis 9. April 2024 als Gast zu begrüßen. Die Eckdaten: Rund 1 100 Euro für ein Doppelzimmer; laut Gästebewertungen gibt es keinen Kaffee und keine bequemen Kissen; und ja, generell sei die Einrichtung "just a little bit run down", ein bisschen heruntergekommen also. Aber wie so oft möge man auch hier die Dinge bitte im Kontext betrachten.

Am 8. April ist halt totale Sonnenfinsternis. Und zu sehen gibt es die nicht überall, in Festlandeuropa schon mal gar nicht, in Mexiko, Kanada und den USA nur in Teilen. Und in kaum einer anderen Gegend - da sind sich die Expertinnen und Experten einig - wird man einen so wunderbaren Blick auf dieses astronomische Ereignis haben können wie in Russellville, Arkansas. Deshalb 1100 Euro für ein Doppelzimmer.

Fünf Monate sind es zwar noch, bis der Mond sich nach 2017 das nächste Mal vollständig vor die Sonne schiebt - aber schon seit Monaten bereitet sich die Szene der Astronomie-Freunde und eclipse chaser, wie sie sich im englischsprachigen Raum nennt, auf diesen 8. April vor. Die New York Times hat kürzlich analysiert, dass sich für die nächstjährige "Blockbuster-Sonnenfinsternis" die Hotelpreise dort, wo der Himmel am klarsten und der Blick am schönsten sein soll, verfünffacht, teilweise verzehnfacht haben. In Facebook-Gruppen und Fach-Portalen werden Übernachtungsgesuche geteilt und Events organisiert.

Auf der Seite Astronomy.com wiederum ist auf die Sekunde genau hinterlegt, wann die Finsternis über welcher texanischen Ranch beginnen und enden wird. Zu Russellville heißt es etwa, vom nahen Mount Nebo (410 Meter hoch) sei die Sicht noch mal besonders schön. Wer eine Eclipse-Reise plant, kann sich anhand der Seite zum Beispiel auch überlegen, ob er lieber für vier extra Sekunden Finsternis die State Route 72 nach Jackson fährt oder ob er am Ufer des Mississippi bleibt und sich mit der 246-sekündigen casual Variante begnügt.

Anderswo sind längst Workshops und Vorträge geplant, ein Panel trägt die Überschrift: "Inspiring the nation to look up!" Als ob das nicht von ganz allein geschehen würde. Eingeschworen wurden sie in den USA spätestens am 14. Oktober, als es eine partielle Sonnenfinsternis gab. Aber was ist das schon gegen eine totale?

In Deutschland dauert es bis zur nächsten Sonnenfinsternis Jahrzehnte

Aus europäischer Sicht lässt sich das schnell belächeln, dieses Theater um vier bis fünf Minuten Schatten. Dabei wäre es ratsam, sich zuvor auf den eigenen Nasenrücken zu fassen, auf dem vor 24 Jahren noch die viel zu teuer erworbene Sonnenfinsternis-Brille saß. Damals nämlich, am 11. August 1999, war die letzte totale Sonnenfinsternis über Deutschland zu sehen.

Nervös machen ließ sich der zur Mystik neigende Teil der Bevölkerung damals etwa durch Adalbert Stifter, der 1842 über die zuvor bezeugte Sonnenfinsternis schrieb: "Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert wie in diesen zwei Minuten - es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden." Auch Nostradamus wurde hervorgekramt, der im 16. Jahrhundert eine, je nach Verfasstheit, beängstigende oder lächerlich konkrete Prophezeiung formulierte: "Im Jahr 1999, im siebten Monat, wird der große Schreckenskönig vom Himmel kommen." Auch deshalb wurden Brillen gekauft und panisch Schutzvorkehrungen getroffen, manche mieden den Blick in den Himmel, andere gingen erst gar nicht aus dem Haus. Als sich der Mond dann vor die Sonne schob, stand das Land für ein paar Momente still. Kilometerlange Staus. Steife Nacken. Überstrapazierte Augen.

Wen all das nicht abschreckt, der sollte also bald ein Hotelzimmer in Russellville buchen. Die nächste totale Sonnenfinsternis ist in Süddeutschland erst in 58 Jahren, am 3. September 2081. Norddeutsche müssen sich bis zum 7. Oktober 2135 gedulden.

Hinweis: In einer vorherigen Version dieses Artikels wurde das erwähnte Russellville in einem anderen US-Bundesstaat verortet. Korrekt ist: Russellville liegt in Arkansas.

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