Gerichtsurteil:Wenn das Testament nach Bier riecht

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Ein Testament braucht eine Unterschrift, das ist klar. Worauf es geschrieben ist, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Deutschland erstickt in Bürokratie, aber es geht auch anders: Ein Gastwirt hat seiner Partnerin mit den Worten "bekommt alles" sein Vermögen vermacht. Auf einem Kneipenblock.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Wer gute Laune haben will, der guckt nach Niedersachsen. Nicht per se natürlich, da ist immer noch Hannover, mag mancher einwenden. Aber dieser Tage bietet das Land der Flachlandradler Anlass zum Durchatmen, es arbeitet damit an seinem Ruf als unterschätzte Region. Das Oberlandesgericht in Oldenburg teilte am Mittwoch mit: Ein Testament ist auch dann gültig, wenn es lediglich auf einem Kneipenblock notiert ist. Und zwar auch in solch knappen Worten: "Rosi bekommt alles". Die gute Nachricht ist also mit dem Tod verknüpft, tröstlicher wird es kaum.

Dass es auch einfach geht, ist hierzulande eine Seltenheit, frisst sich die Bürokratie doch durch sämtliche Bereiche. Unternehmer schrecken deswegen vor Investitionen zurück, wer soll es ihnen verdenken bei solchen Geschichten: Bei einem Fest in Esslingen etwa durften einst nur Lauben verwendet werden, die auch großen Schneelasten standhalten konnten - wohlgemerkt bei einem Sommerfest. Dass es immer schlimmer wird, stellte zuletzt der Normenkontrollrat fest: Der Kosten- und Zeitaufwand für das Einhalten von Vorschriften liegt in Deutschland auf Rekordniveau. Die Nation quillt über vor lauter Genehmigungen, Gutachten, Paragrafen. Aber wer sein Geld vererben will, der muss lediglich einen per Hand geschriebenen schnörkellosen Vers mit Datum und Unterschrift hinterlassen. Famos.

Hintergrund für die Entscheidung in Oldenburg war ein Testament eines Gastwirts aus Ostfriesland, natürlich: Ostfriesen halten es kurz. Der Wirt hatte mit Datum und Unterschrift seiner Partnerin in der knappen Formel "bekommt alles" sein Vermögen vermacht. Den konkreten Spitznamen teilte das Gericht nicht mit, es könnte sich also auch um Elli, Bienchen oder Moni gehandelt haben. Die besagte Erbin hatte den Zettel des Verstorbenen schließlich hinter dem Tresen gefunden, sie meldete sich beim zuständigen Amtsgericht in Westerstede, um den Erbschein zu beantragen. Jenes ließ sie jedoch abblitzen: Dass mit dem Notizblock tatsächlich ein Testament abgegeben werden sollte, sei nicht sicher festzustellen. Es fehle der erforderliche "Testierwille".

Das Oberlandesgericht sah es nun anders, dabei hilft auch ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch, das keinen bestimmten Untergrund definiert. Und das ist eine gute Nachricht für alle: Von der Form auf den Inhalt zu schließen, ist unangebracht. Auch Kellnerblöcke sind dazu befähigt, eine bierernste Sache zu sein, Kneipengänger wissen das sowieso. Dass der Spitzname lediglich auf die Partnerin des Gastwirts zutreffe, ließ sich das Gericht durch Zeugenaussagen bestätigen. Zudem habe der Wirt oft wichtige Dokumente hinter dem Tresen aufbewahrt, das alles ergab ein schlüssiges Bild.

Die Entscheidung lässt Rückschlüsse für kreativere Arten von Testamenten zu, und es war freilich nicht das erste Mal, dass jemand kein formschönes DIN-A4-Papier zur Niederschrift nutzte. So entschied das Amtsgericht Köln einmal, dass auch eine Tischplatte ein geeignetes Dokument sein kann. Damals hatte ein Mann mit Filzschrift auf einem Holztisch eine Alleinerbin benannt. Geld bekam sie später trotzdem keines: Die Unterschrift fehlte. So viel Form muss sein.

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