Terrorismus:Der Tag nach dem Terror: Brüssel ringt um Normalität

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Ein Passant zündet vor der Börse am Place de la Bourse eine Kerze an. (Foto: Federico Gambarini)

Brüssel (dpa) - Der Polizist fordert dazu auf, die Jacke zu öffnen. Er will sehen, was darunter ist. Das Gepäck kommt ein paar Meter weiter auf den Tisch und wird durchsucht - unter den Augen meist stummer und schwer bewaffneter Sicherheitskräfte in Tarnuniformen.

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Brüssel (dpa) - Der Polizist fordert dazu auf, die Jacke zu öffnen. Er will sehen, was darunter ist. Das Gepäck kommt ein paar Meter weiter auf den Tisch und wird durchsucht - unter den Augen meist stummer und schwer bewaffneter Sicherheitskräfte in Tarnuniformen.

Das Prozedere am Brüsseler Zentralbahnhof ist mühsam, langsam, aber es ist auch ein Schritt zurück in die Normalität. Einen Tag nach den Anschlägen kommt das Leben wieder zurück in den wichtigen Brüsseler Bahnhof.

Gleichzeitig ist dies für viele auch bedrückend. Die Menschen stehen dicht an dicht, weil sie für die Kontrolle durch eine nicht gerade breite Tür des Gebäudes geleitet werden. Eine Menschenmenge, Reisende, Koffer - nach dem Attentat am Brüsseler Flughafen hinterlässt diese Mischung bei vielen nun ein mulmiges Gefühl. „Man will hier schnell wieder raus“, sagt Manuel, der zur Arbeit will. Es sei wohl leider auch das, was die Terroristen bezwecken wollten.

Brüssel erholt sich nur langsam vom Schock der Anschläge. Die Fahnen sind auf halbmast, nach wie vor heulen Polizeisirenen. Auf dem Platz vor der Börse, der vielen zum Zufluchtsort für ihre Trauer geworden ist, hat der Regen über Nacht das Kerzenmeer gelöscht. Nach und nach werden die Lichter von den Brüsselern wieder angezündet. Eine Frau sagt, sie habe nahezu die ganze Nacht auf dem Platz ausgeharrt.

Der Börsen-Platz ist auch am Mittwoch der Ort, an dem sich die Trauer am stärksten zeigt. Tausende Menschen kommen zu einer Schweigeminute zusammen. Etwas weiter östlich, im Gebäude der EU-Kommission und damit unweit der attackierten Metro-Station Maelbeek, schließen sich der belgische Premierminister Charles Michel sowie König Philippe und Königin Mathilde der Geste an. Michel spricht an diesem Tag von einem „tiefen Schmerz im Bauch“.

Draußen steht die gebürtige Kolumbianerin Pilar Gill und hält im Gewusel der Kamerateams eine belgische und eine kolumbianische Flagge hoch. Sie hat ein Herz mit Tränen darauf gemalt. Gill hat gehört, dass mindestens zwei Kolumbianer verletzt worden sein sollen bei den Anschlägen. „Ich stehe hier um zu sagen: Nein! Wir haben keine Angst“, sagt Gill, die nahe der Metro-Station wohnt. Wie lange sie die Flaggen noch tragen will? Auf jeden Fall noch diesen Tag.

Wer durch die Stadt streift, sieht auch, wie das Leben wieder Fahrt aufnimmt, das am Vortag noch wie ausgeknipst erschien. Im Jubelpark am Europaviertel sind schon früh morgens wieder die ersten Jogger unterwegs. Nur wenige Meter weiter staut sich der Brüsseler Berufsverkehr. Lediglich das übliche Gehupe ist heute etwas verhaltener als sonst.

Auch viele Geschäfte haben nach dem Ausnahmezustand wieder normal geöffnet. „Man versucht, zum Alltagsleben zurückzukehren“, sagt eine Sprecherin des Einzelhandelsverbands Comeos. Der Möbelhändler Ikea wollte seine beiden Brüsseler Filialen hingegen noch geschlossen halten.

Die EU-Institutionen ringen ebenfalls um den Weg zurück zur Normalität. Den Mitarbeitern der EU-Kommission sei es freigestellt, von zu Hause zu arbeiten, heißt es aus der Brüsseler Behörde. Am Mittwoch ist auch offiziell klar, dass drei Mitarbeiter der EU-Kommission verletzt wurden.

Die Metro-Station Maelbeek befindet sich nur etwa 500 Meter vom „Herz“ Europas entfernt. „Ich war eine halbe Stunde vorher in dieser U-Bahn“, erinnert sich ein EU-Diplomat noch schockiert an den Vortag. Am Mittwoch ist die Station noch weiträumig von Polizei und Militär abgeriegelt. Die Bahn verkehrt nicht durchgehend. Die deutsche Schule in Brüssel sollte ebenfalls noch geschlossen bleiben.

Doch die Arbeit müsse auch fortgesetzt werden, heißt es unter Diplomaten und EU-Beamten. Ein Mitarbeiter fasst es zusammen: „Ich bin sehr, sehr traurig. Aber das Leben muss weitergehen.“

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