Super-Taifun "Haiyan" auf den Philippinen:Helfer kämpfen gegen Trümmerberge und Seuchen

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Der Taifun "Haiyan" hat auf den Philippinen eine Trümmerwüste hinterlassen. Schuttberge verhindern, dass Helfer und Rettungskräfte an ihren Einsatzort gelangen. Sogar große Frachtschiffe hat der Sturm an Land gespült. (Foto: AFP/Noel Celis)

Frachtschiffe wurden ins Landesinnere geschwemmt, Brücken abgerissen, Straßen weggespült. Teile der Philippinen gleichen einem Trümmerfeld. Hilfsorganisationen kommen auf ihrem Weg in die zerstörten Gebiete nur schwer voran. Bei Katastrophenhelfern werden Erinnerungen an den verheerenden Tsunami von 2004 in Thailand wach.

Von Felix Frieler

Die Zerstörungskraft des Wirbelsturms Haiyan erschreckt selbst erfahrene Krisenhelfer. Augenzeugen berichten von Plünderungen. Als "absolutes Chaos" schildert der Leiter des philippinischen Roten Kreuzes, Richard Gordon, die Situation im Katastrophengebiet. Ein BBC-Reporter beschreibt die stark zerstörte Stadt Tablocan als "plattgewalzt". Auf den Straßen und unter den Trümmern lägen überall Leichen.

"Die Philippinen brauchen dringend Hilfe von außen", sagt Jörg Fischer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) auf Anfrage von Süddeutsche.de. Er wartet derzeit auf der philippinischen Insel Cebu darauf, dass die ersten Hilfskonvois den Weg in die betroffenen Regionen bahnen. "Es ist extrem schwierig, überhaupt durchzukommen. Brücken sind abgerissen, Straßen sind unterspült und von Bergen von Schutt versperrt." Im Moment seien zwei größere Hilfstransporte mit Schiffen und Lastwagen auf dem Weg. "Wir hoffen, dass sie es bald schaffen", sagt Fischer.

Die größten Schäden hat Haiyan nach ersten Einschätzungen in der zentralphilippinischen Provinz Leyte angerichtet. Allein hier spricht ein Polizeichef von 10.000 Toten. Eine australische Kollegin des DRK-Helfers sei bereits im Katastrophengebiet, berichtet Fischer. "Sie ist erschreckt über das Ausmaß der Zerstörung und die Schäden, die dort angerichtet wurden. Ein sehr erfahrener Kollege der Vereinten Nationen sagte, er habe seit dem Tsunami 2004 keine solche Zerstörungskraft mehr gesehen." Auch eine Sprecherin des Technischen Hilfswerks (THW) bestätigt: "Das kommt hier an die Dimension des Tsunami von 2004 heran." Damals hatte ein Seebeben im Indischen Ozean mehrere Flutwellen ausgelöst und weite Teile Südostasiens überschwemmt. Schätzungen zufolge wurden durch die Folgen des Bebens etwa 220.000 Menschen getötet.

Gefahr von Seuchen

Taifun "Haiyan"
:Keine Nahrung, kein Wasser, kein Strom

Der Taifun "Haiyan" ist die größte Naturkatastrophe, die die Philippinen je ereilt hat. Regierungen und Organisationen weltweit schicken Hilfe, während die Retter vor Ort versuchen, zu den Überlebenden vorzudringen. Durch die betroffenen Gebiete zieht sich eine Spur der Verwüstung.

Auf den Philippinen sei derzeit das drängendste Problem die Wasserversorgung, erklärt Fischer: "Die Menschen brauchen vor allem schnell Trinkwasser." Ein Mensch könne eine Zeit lang auch ohne Essen auskommen, Wassermangel sei schneller gefährlich für die Gesundheit. Dem Roten Kreuz lägen derzeit zwar noch keine Nachrichten über Seuchen vor, doch die fehlende Trinkwasserversorgung führe zu schlechten hygienischen Bedingungen. Typhus, Cholera und die Darmerkrankung Ruhr können entstehen, wenn das Trinkwasser verschmutzt ist und sanitäre Anlagen fehlen.

Um die Entstehung von Seuchen zu verhindern, bereitet auch die Bundesregierung einen Hilfseinsatz auf den Philippinen vor. Ein fünfköpfiges Vorausteam des THW ist bereits vor Ort und stimmt sich mit anderen internationalen Helfern und den Behörden vor Ort ab, sagte eine Sprecherin. Sobald die Bundesregierung eine Lageeinschätzung des THW-Teams hat, komme in der Regel schnell das Startsignal für weitere Helfer. "Wenn da eine Entscheidung gefallen ist, geht es hier innerhalb weniger Stunden los." Eine Möglichkeit sei, eine Trinkwasseraufbereitungsanlage auf die Philippinen zu fliegen. Auch am Aufbau von Notunterkünften könnten sich die deutschen Katastrophenhelfer sofort beteiligen.

500.000 Euro Soforthilfe aus Deutschland

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat bereits 500.000 Euro Soforthilfe zugesagt. Die EU-Kommission gab zunächst drei Millionen Euro für die Opfer auf den Philippinen frei. Das US-Verteidigungsministerium kam nach eigenen Angaben einem Hilfegesuch der philippinischen Regierung nach und schickt Soldaten zur Unterstützung. Zahlreiche Hilfsorganisationen haben Spendenkonten eingerichtet. Nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien im Jahr 2004 hatten die Deutschen nahezu eine Milliarde Euro gespendet. Die Bundesregierung hatte damals als Reaktion auf das verheerende Seebeben 20 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass 9,5 Millionen Menschen von dem Wirbelstürm betroffen sind. "Am verletzlichsten sind ältere Menschen und Kinder, weil einfach die Widerstandkraft nicht da ist wie bei einem normalen erwachsenen Menschen. Dazu kommen Verletzte, die derzeit nicht behandelt werden können", erklärt Fischer.

Philippinen feiern Geburt in Trümmern

Doch inmitten von Tod und Verwüstung gibt es auch Momente der Zuversicht: In einem zerstörten Gebäude des Flughafens in Tacloban brachte eine 21-jährige Frau am Montag ein Baby zur Welt. Philippinische Medien feiern das Ereignis als "Wunder". Die Mutter des Kindes ist Medienberichten zufolge erleichtert: "Sie ist so wunderschön, ich werde sie Bea Joy nennen, im Gedenken an meine vermisste Mutter. Sie ist mein Wunder. Ich dachte, ich würde noch mit ihr im Bauch sterben."

"Bea Joy" kam in Trümmern zur Welt. (Foto: dpa)

Eine Flutwelle hatte am Freitag ihr Wohnhaus gepackt und mit der Familie fortgespült. Emely und ihr Mann Jobert harrten in den Trümmern aus, als am Montagmorgen ihre Wehen einsetzten. "Wir mussten mehrere Kilometer zu Fuß laufen, bevor uns ein Lastwagenfahrer mitnahm", berichtete Jobert. Der Lkw brachte die Hochschwangere nach Tacloban und setzte sie vor dem Notkrankenhaus am Flughafen ab. Die Fruchtblase sei zu dem Zeitpunkt schon geplatzt gewesen, sagte der junge Militärarzt Victoriano Sambale, der zum Geburtshelfer wurde. Aber alles sei gut verlaufen. "Dem Kind geht es gut."

© Sueddeutsche.de/dpa/AFP/fri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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