Koreanische Halbinsel:In Südkorea ist die Luft raus

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Ein Richtungsweiser, der die Entfernung zur nordkoreanischen Stadt Kaesong und zur südkoreanischen Hauptstadt Seoul anzeigt, steht in Grenznähe an Drahtzäunen. (Foto: dpa)

Wieso es in dem Staat dort neuerdings verboten ist, Ballons steigen zu lassen.

Von Thomas Hahn

Neuerdings kann man sich also strafbar machen, wenn man in Südkorea einen Ballon steigen lässt. Das stört Pastor Eric Foley sehr. Denn Ballons sind das Verkehrsmittel der Wahl, wenn seine christliche Non-Profit-Organisation "Stimme der Märtyrer Korea" (VOMK) Bibeln an ihre oft unterdrückten Glaubensgeschwister in Nordkorea schickt. 15 Jahre lang habe man eine "gute, kooperative Beziehung" zu Südkoreas Regierung gepflegt, sagt Foley in der kirchlichen Nachrichten-Agentur MNN. Aber jetzt sind die Behörden eingeschüchtert, weil Nordkoreas kommunistische Regierung über Ballons mit regimekritischer Fracht zürnt. Geldbußen oder sogar Haft drohen auch Foley und seinen Leuten. Eine Ohrfeige für die Religionsfreiheit: "Wir sind traurig."

Ballons gelten eigentlich als harmlose Flugobjekte. Sie sind sogar ein Friedenssymbol, von Nena Anfang der Achtziger in der Deutschpop-Hymne "99 Luftballons" besungen. Nordkoreas Führung allerdings sieht in Ballons eine Gefahr für die Harmonie in ihrer abgeschlossenen Mangelwirtschaft. Die Geschichte der Ballon-Propaganda von Süd nach Nord und Nord nach Süd reicht zurück bis in den Korea-Krieg von 1950 bis 1953. Heute sind die Ballons das Vehikel freier Menschenrechtler, die den Landsleuten im Norden neben kritischen Flugblättern auch Konsumgüter wie DVDs und Schokolade zukommen lassen wollen.

Die "Kämpfer für ein freies Nordkorea" des Überläufers Park Sang-hak sind die wohl bekannteste Gruppe dieser Art. Als Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un sich 2018 auf die Erklärung von Panmunjeom einigten, ließ sich Moon darauf festlegen, Ballonaktionen zu unterbinden. Aber Südkorea zögerte. Jetzt sind die Ballons der offizielle Grund dafür, dass Nordkorea das 2018 eröffnete Nord-Süd-Verbindungsbüro in Kaesong gesprengt hat. Südkorea versucht, die Lage mit den Verboten zu beruhigen. Und davon ist also auch Pastor Foley betroffen, der mit dem Aktivisten Park nur eines gemein haben will: die "Vision eines Korea, in dem normale Koreaner, Nord und Süd, direkt, frei, vollständig ohne Vermittlung des Staates interagieren können". Seine Organisation sei unpolitisch. "Wir verteilen nur Bibeln."

Und zwar mit Hightech-Wetterballons, die mit nicht brennbarem Helium fliegen, die auf bis zu 30 000 Meter steigen und per GPS die Bibeln genau dort zu Boden taumeln lassen, wo sie ankommen sollen. Es gebe laut VOMK kein Risiko, dass nordkoreanische Grenzposten die Ballons als Gefahr deuten und auf sie schießen. Bei den niedrig fliegenden, zylinderförmigen Aktivisten-Ballons ist das anders. Auch deshalb findet Foley es ungerecht, dass seine Ballons nicht erlaubt sein sollen.

Ob Südkoreas neue Strenge zu weniger Ballons in der Luft führt, ist noch nicht klar. Am Montag teilte Park Sang-hak mit, seine Gruppe habe von der Stadt Paju aus 20 Ballons gen Norden geschickt - allerdings wegen widriger Winde vergeblich, wie Südkoreas Vereinigungsministerium am Dienstag versicherte. Nordkoreas Regime hat seinerseits "Flugblatt-Bomben" angekündigt. Und Pastor Foley? Will nicht aufstecken. Er steht zum Ballon. Er kennt kein besseres Flugobjekt, mit dem er die Menschen in Nordkorea erreichen könnte.

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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