SZ-Serie "Ein Anruf bei":Der Mann in der Gummiblase

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Der US-Amerikaner Nick Delisio lebt in Stuttgart und hat eine Möglichkeit gefunden, wie er in Corona-Zeiten niemandem zu nahe kommt.

Interview von Veronika Wulf, Stuttgart

Nick Delisio, 39, hatte Langeweile und wollte seine Freunde sehen. Also fand der Amerikaner, der seit drei Jahren in Stuttgart lebt, einen kreativen Weg, wie das trotz Kontaktverbot geht: einen großen, aufblasbaren Plastikball, der nicht nur für einen Mindestabstand sorgt, sondern auch keine Viren durchlässt.

Wie kamen Sie auf die Idee, sich in einer riesigen Plastikkugel einzuschließen?

Das Fitnessstudio, in das ich gehe, ist wie eine große Familie für mich, und ich habe meine Freunde von dort vermisst. Also habe ich nach einer lustigen Art gesucht, mit ihnen trainieren zu können, ohne das Social Distancing aufzugeben. Da habe ich mich an diese riesigen Plastikkugeln erinnert, mit denen Leute Hügel runterrollen. Eigentlich wollte ich sie nur einmal benutzen, aber hey, wir sind zurzeit alle gelangweilt und brauchen was zum Lachen.

Wo bekommt man so eine Ganzkörperkugel und was kostet sie?

Ich hab sie im Internet gefunden für 140 Euro, nach drei Tagen war sie da.

Wie kommt man in so ein Ding rein - und wie die Luft?

Hier wird es ein bisschen kompliziert. Die Kugel wurde mit einer elektrischen Luftpumpe geliefert, aber die muss man in die Steckdose stecken. Also habe ich mir noch eine batteriebetriebene Pumpe gekauft. Man kommt durch einen Riesenreißverschluss hinein, macht ihn von innen zu, lässt die Luftpumpe von jemandem anschließen und die Blase auffüllen.

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(Foto: privat)

Social Distancing mal anders: Auf den leeren Straßen in Stuttgart fällt der Bubble-Mann auf.

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(Foto: privat)

Bald nach seinem ersten Spaziergang in der Kugel fand Nick Delisio Fotos und Videos von sich im Internet.

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(Foto: privat)

Durch die Kugel kann Nick Delisio sich problemlos und regelkonform mit Freunden unterhalten. Luft und Viren dagegen kommen nicht durch die Hülle.

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(Foto: privat)

Der Spaß braucht aber einige Vorbereitung: Mit der elektrischen Pumpe muss Luft in die Blase gepumpt werden.

Hat man dann genug Luft zum Atmen?

Beim ersten Mal war ich für etwa eine Stunde drin. Man kann gut atmen, nur beschlägt der Wasserdampf des Atems irgendwann die Innenseite des Balls, und es wird schwierig hinauszuschauen.

In den sozialen Medien kursieren einige Videos von Ihnen, wie sie in der Kugel durch Stuttgarts Straßen laufen. Wohin waren sie unterwegs?

Ich bin einen Block runtergelaufen zu meinen Freunden, die sich draußen für das Workout fertig gemacht haben.

Wie haben die Leute reagiert?

Die meisten haben mich einfach angestarrt, aber ein paar kamen und haben mir Fragen gestellt. Als meine Freunde mich erkannt haben, haben sie natürlich gelacht.

Ist das eigentlich legal - oder wurden Sie mal von der Polizei angehalten?

In Stuttgart darf man sich ja zumindest mit einer weiteren Person in der Öffentlichkeit treffen, abgesehen von Familienmitgliedern. Ob diese Regeln auch für jemanden in der Blase gelten - keine Ahnung. Die Polizei hat mich bei meinen zwei Ausflügen jedenfalls nicht angehalten. Wobei das sicher eine interessante Unterhaltung gewesen wäre.

Wo rollen Sie als Nächstes hin?

Schwer zu sagen. Wäre lustig, es auf dem Schlossplatz zu tun, aber wie gesagt, es braucht viel Vorbereitung. Und ich kann es nicht allein machen: Ich brauche jemanden, der mir wieder heraus hilft.

Eine Kugel für jeden Bürger - wäre das die Lösung für die Abstandsregeln?

Das wäre großartig, wenn ein paar Leute in den Blasen rumhängen würden. Aber hoffen wir, dass wir bald auch wieder normal zusammen rausgehen können.

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