Sibirien-Hoch "Cooper" sorgt für Kälteeinbruch:Bibbern in Deutschland

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Nun wird es also doch noch ein richtiger Winter: In den kommenden Tagen muss deutschlandweit mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt gerechnet werden. Wo wird es am kältesten? Wie lange bleibt Sibirien-Hoch "Cooper"? Wer sollte bei zweistelligen Minusgraden besser zu Hause bleiben? Kann man eingefrorenen Schlössern vorbeugen? Tipps und Tricks

Johanna Bruckner und Berit Uhlmann

[] Wann kommt die Kälte?

In der Nacht zum Dienstag sind die Temperaturen mancherorts bereits in den zweistelligen Minusbereich gepurzelt. Während im Westen am Tag "noch" minus vier Grad erreicht werden, rechnen die Meteorologen im Osten der Republik schon mit bis zu minus 13 Grad. "Bis zum Freitag wird es dann sukzessive kälter", sagt Thomas Ruppert vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Den Tiefpunkt erwartet der Wetterexperte mit "zweistelligen Temperatur-Minima" in den Nächten zum Freitag und Samstag. Zum Ende des kommenden Wochenendes steigen die Temperaturen zwar wieder leicht an, doch es bleibt "winterlich frostig".

[] Wie kalt wird es?

Strenger Frost mit Temperaturen unter minus zehn Grad - darauf müssen sich von Mittwoch an fast alle Bundesbürger einstellen. Selbst am Niederrhein und an den Küsten sind dem DWD zufolge Tageshöchstwerte unter null Grad (minus ein bis minus zwei Grad Celsius) zu erwarten. Besonders eisig wird es Ruppert zufolge im Osten Deutschlands und in Bayern: Hier rechnet der Meteorologe mit "deutlich zweistelligen" Minustemperaturen, Donnerstag- und Freitagnacht könnten die Werte auf minus 14 bis minus 19 Grad fallen. Weil Schnee wie ein Kälteakku wirkt, sind die Temperaturen direkt über einer Schneedecke besonders niedrig: Hier ließen sich dann durchaus auch mal minus 20 Grad und weniger messen, so Ruppert. Darüber hinaus rechnet der DWD mit einem hohen "Windchill": Der jetzt schon "schneidige Ostwind" sorge dafür, dass die gefühlten Temperaturen fünf bis sieben Grad unter der tatsächlich gemessenen liege.

[] Erwarten uns auch Niederschläge?

An den Küsten, in Teilen Süddeutschlands und im Alpenbereich ist von Donnerstag an mit leichten Niederschlägen zu rechnen. Doch wo jetzt noch kein Schnee liegt, wird es wohl auch in den kommenden Tagen nicht weiß werden. Die geringe Niederschlagswahrscheinlichkeit macht auch die Hoffnungen manches Wintersportlers auf den begehrten, aber in unseren Höhenlagen seltenen Pulverschnee zunichte. Der zusammengefahrene Schnee der vergangenen Wochen und Monate wird durch die extremen Minustemperaturen harsch - keine idealen Bedingungen für Skifahrer und Snowboarder.

[] Wie kommt es zum plötzlichen Kälteeinbruch?

Verantwortlich für die anstehende "sibirische Kälte" ist das aus Russland heranziehende Hoch Cooper. In der Polarregion geht die Sonne im Winter für längere Zeit nicht auf, die Luft kann sich nicht erwärmen - was die Temperaturen im Norden Sibiriens auf für uns unvorstellbare minus 60 Grad fallen lässt. In Mitteleuropa gibt es meist Westwinde, die auch im Winter warme Luft aus Richtung des Atlantiks zu uns herübertragen. Zurzeit herrschen allerdings Ostwinde, die die eiskalten Luftmassen über Russland und Skandinavien nach Deutschland bewegen.

[] Ist in den kommenden Tagen mit einem neuen Kälterekord zu rechnen?

Der bislang kälteste Tag in Deutschland datiert vor mehr als 80 Jahren: Am 12. Februar 1929 wurden im bayerischen Wolnzach-Hüll nördlich von München minus 37,8 Grad gemessen. So kalt wird es in den kommenden Tagen wohl nicht: "Solche Temperaturen gab es in den vergangenen Jahren immer schon mal", klärt DWD-Meteorologe Ruppert im Hinblick auf die postulierte "Rekordkälte" auf. Der Januar liege nun mal im Hochwinter, gelte aus meteorologischer Sicht als kältester Monat des Jahres - derartige Minusgrade seien da durchaus "normal". Der Winter 2011/2012 wird dem Wetterexperten zufolge im Mittel voraussichtlich sogar eher zu den milderen zählen, dank des vorangegangenen "Dezemberfrühlings". Selbst am Funtensee (Landkreis Berchtesgadener Land), dem inoffiziellen Kältepol Deutschlands, wird kein neuer Kälterekord erwartet. Aufgrund der geographischen Lage werden dort unter bestimmten Bedingungen regelmäßig extreme Minusgrade gemessen. In den kommenden Tagen werde es jedoch bewölkt und zu windig, um den aktuellen Rekordwert von minus 45,9 Grad zu knacken, sagt Simon Hölzl vom Schweizer Wetterdienst Meteomedia.

[] Wer sollte bei den angesagten Minusgraden lieber zu Hause bleiben?

"Gesunde Menschen mit angemessener Kleidung haben keinen Grund, in den kommenden Tagen die frische Luft zu meiden", sagt Marlies Karsch-Völk vom Institut für Allgemeinmedizin an der TU München. Menschen mit bestimmten Erkrankungen könnte die extreme Kälte allerdings durchaus belasten. Dazu gehören Patienten mit Durchblutungsstörungen an Händen und Füßen. Das bei niedrigen Temperaturen besonders schlecht durchblutete Gewebe kann schmerzen oder Schäden davontragen. Menschen mit asthmatischen Beschwerden oder Raucherhusten können in Atemnot geraten, wenn eiskalte Luft in ihre Atemwege gelangt und die Bronchien sich verengen. Wer an chronischem Rheuma leidet, erlebt oft eine Verschlimmerung seiner Beschwerden, wenn die Umgebungstemperatur sehr niedrig ist.

[] Steigt nun das Erkältungsrisiko?

Die Vorstellung, dass Kälte Erkältungen auslöst, ist eher den Medizinmythen zuzuschreiben. "Mit der Kälte hat die Erkältung nichts zu tun", sagt die Medizinerin Karsch-Völk. Einen grippalen Infekt, wie Mediziner ihn nennen, zieht man sich am ehesten zu, wenn warme, schlecht belüftete Räume die Erreger gedeihen lassen und Menschen so eng aufeinandersitzen, dass die Viren leicht von einem zum anderen gelangen können. Kälte allein begünstigt die Infektion nicht; was sich auch daran zeigt, dass auf Polarexpeditionen eher wenige Menschen an Erkältungen leiden. Eher aber an Unterkühlungen und Erfrierungen.

[] Welche Gefahren lauern sonst noch?

Eingefrorene Fahrradschlösser, Fahrzeugtüren, die sich nicht öffnen lassen, Autobatterien, die den Geist aufgeben: Die extreme Kälte könnte in den kommenden Tagen vor allem für Probleme auf dem Weg zur Arbeit sorgen. Um das Zufrieren von Fahrrad- wie Autoschlössern zu verhindern, rät Andreas Hölzel vom ADAC, schon vorbeugend Türschlossenteiser aufzutragen. Entsprechende Sprays helfen zwar auch akut, "doch bis sich das Schloss tatsächlich öffnen lässt, kann es dann einige Minuten dauern." Den Enteiser bei sich tragen, empfiehlt Hölzel, "denn hinter verschlossenen Autotüren nützt er nichts." Von sogenannten Türschlossheizern hält der ADAC-Experte genauso wenig wie vom Turbo-Tauen mit dem Feuerzeug; auch das Anwärmen des Schlüssels bringe nicht viel, so Hölzel. Für sinnvoll hält er dagegen spezielle Gummipflegemittel, die ein Einfrieren der Türdichtungen verhindern. Außerdem sollten Autofahrer dafür sorgen, dass die Flüssigkeiten in der Scheibenwischanlage und den Kühlsystemen Frostschutzmittel enthalten. Fahrzeughaltern, die in jüngerer Vergangenheit bereits Probleme mit Batterie oder Motor hatten, legt Hölzel einen Werkstattbesuch nahe: Die extremen Temperaturen könnten dafür sorgen, dass die Systeme endgültig aussteigen. Vom Besuch in der Waschanlage rät der ADAC-Experte in den kommenden Tagen eher ab. Wenn, dann sollte das Auto auf jeden Fall an einem warmen Ort zum Trocknen abgestellt werden.

[] Freut sich der Einzelhandel über den Kälteeinbruch?

Für die Textilindustrie und die Wintersportausrüster waren die bislang milden Temperaturen geschäftsschädigend: Bei Plusgraden im zweistelligen Bereich sitzt man eben lieber vergleichsweise leichtbekleidet im Café, als dick eingemummelt die Piste hinabzusausen. Der langersehnte Kälteeinbruch freut den Handel zwar: "Wenn es tatsächlich kalt bleibt, werden hoffentlich viele Leute feststellen, dass ihre Wintersachen vom letzten Jahr doch nicht mehr so aktuell sind, und sich jetzt neue kaufen", hofft Jürgen Dax, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) zum jetzt beginnenden (allerdings offiziell abgeschafften) Winterschlussverkauf. Das Umsatzminus aus dem bisherigen Wintergeschäft werde jedoch kaum aufgeholt: "Das ist wohl nicht mehr zu retten, weil die meisten Waren ja nun zu reduzierten Preisen weggehen", so Dax. Am Ende kann sich der Verbraucher freuen: Denn das, was es braucht, um der anstehenden Eiseskälte zu trotzen, gibt es zumindest zum Schnäppchenpreis.

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