SZ-Kolumne "Bester Dinge":Die Seepferdchen-Girlande

(Foto: N/A)

Wissenschaftliche Namen für Tiere sind langweilig? Von wegen - vor allem, seit sie nicht mehr ausschließlich von alten Professoren mit Rauschebärten erfunden werden.

Von Alexander Menden

Früher waren rauschebärtige Männer in Gehröcken dafür zuständig, neu entdeckte Spezies mit wissenschaftlichen Bezeichnungen zu versehen. Die gängigen Sprachen waren Latein und Griechisch. Keine Frage, da kamen tolle Namen zustande: Der US-amerikanische Ornithologe Spencer Baird und der französische Herpetologe Charles Girard dachten sich zum Beispiel 1853 für eine Klapperschlange den Namen "Crotalus atrox" (Furchterregender Krachmacher) aus. Der Frankfurter Zoologe Carl Chun taufte 1903 ein winziges Tiefseetierchen "Vampyroteuthis infernalis" (Vampirtintenfisch aus der Hölle). Bis heute hält man am sprachlich Altertümlichen fest, auch wenn Teile der wissenschaftlichen Namen durchaus in der Moderne zu verorten sind - etwa 2011 bei der Pferdebremsenspezies "Scaptia beyonceae" (ja, der Beiname wurde zu Ehren des R&B-Superstars Beyoncé vergeben.)

Doch auch die Taxonomie ist jetzt in der postkolonialen Welt angekommen. Ein schöner Beleg hierfür ist "Cylix tupareomanaia". Dieses mit den Seepferdchen verwandte Manaia-Zwerg-Nadelpferdchen wurde vor der Küste Neuseelands entdeckt. Es oblag dem ortsansässigen Maori-Stamm der Ngātiwai, einen Namen zu finden - das erste Mal, dass eine indigene Gruppe an der wissenschaftlichen Neubenennung eines Tiers beteiligt war.

Laut dem Stammesältesten Hori Parata gab es Berichte der Ngātiwai-Ahnen über diese Spezies. Der ursprüngliche Name sei nach der Kolonisierung durch die Briten aber verloren gegangen. "Cylix" bezeichnet im Altgriechischen ein flaches Trinkgefäß, das dem becherartigen Kamm auf dem Kopf des Tiers ähnelt. "Tupareomanaia" heißt "Girlande der Manaia" - wobei Manaia der Māori-Name für Seepferdchen ist. Ein wunderbares Zusammenspiel der Sprachen also, für ein wunderhübsches Geschöpf.

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