Zünfte in Zürich:Wo Blackfacing und Bastrock noch in Ordnung sind

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Das berühmte Zürcher Sechseläuten: Erst ziehen die Zünfte durch die Stadt, dann brennt der 'Böögg'. (Foto: Ennio Leanza/dpa)

Auf einem Ball im Zusammenhang mit dem Zürcher Sechseläuten kommt es zu einer rassistischen Entgleisung. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft den Vorfall.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es gehört zu den stolzesten Traditionen Zürichs: das Sechseläuten. Bei dem Frühlingsfest ziehen die Mitglieder der 26 Zürcher Zünfte durch die Stadt und am Abend wird der "Böögg" verbrannt, ein künstlicher Schneemann, mit dessen Anzünden der Winter vertrieben werden soll. Schon am Wochenende vor dem Umzug steigen die ersten Veranstaltungen: Da treffen sich die Zünfter - es sind nach wie vor fast ausschließlich Männer - und ihre Gäste auf exklusiven Bällen.

Was dort geschieht, bleibt in der Regel der Öffentlichkeit verborgen. Bis jetzt: Bei einem der Bälle am vergangenen Samstag, dem "Ball beim Böögg", filmte ein DJ Ausschnitte des Bühnenprogramms. Das Video wurde öffentlich. Seither stehen die Veranstalter des Balls, aber auch das gesamte Zunftwesen in Zürich im medialen Feuer. Denn auf dem Video ist ein Mann mit schwarz bemaltem Gesicht und einem Baströckchen um die Hüfte auf der Bühne zu sehen. In der Hand hält er einen großen Knochen, den er sich zwischendurch provokativ zwischen die Beine schiebt. Eine eindeutig rassistische Darbietung, die inzwischen auch die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus verurteilt hat. Das Publikum allerdings, das zeigt das Video, quittiert die Aufführung mit Gelächter.

Der verstörende Vorfall beschäftigt die Schweizer seit Tagen. Und vielleicht bald auch die Justiz: Wie am Freitag mehrere Medien berichteten, hat die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat ein sogenanntes Vorabklärungsverfahren eröffnet, um zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und womöglich ein Verfahren eröffnet werden muss. Öffentliche rassistische Äußerungen sind in der Schweiz unter bestimmten Bedingungen strafbar.

Zwar heißt es auf der Sechseläuten-Website: "Einige Zunftbälle finden auch außerhalb des Sechseläutens statt." Und auf Anfrage der SZ schreibt das Zentralkomitee der Zürcher Zünfte (ZZZ), dass der "Ball beim Böögg" ein privat organisierter Anlass sei, der nichts mit der Organisation des Sechseläutens zu tun habe. Trotzdem: Der Vorfall auf einem Ball, der traditionell von Mitgliedern mehrerer Zünfte organisiert wird, schadet dem Bild der traditionsreichen Zürcher Verbände massiv.

Denn die Zünfte, die sich als die Erben der mittelalterlichen Handwerkervereinigungen und damit der alten städtischen Elite verstehen, sind bis heute einflussreich. Nach wie vor sind die alten, mächtigen Zürcher Familien in ihnen vertreten, dazu die neue Elite aus Politik und Wirtschaft. Bankmanager wie Josef Ackermann oder der frühere Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner sind Zunftmitglieder, ebenfalls der frühere Swiss-Re-Chef Walter Kielholz oder der Verleger und Politiker Roger Köppel. Kein Wunder: Es könne "für Karriere und Geschäfte immer noch hilfreich sein, wenn man dieses Netzwerk kennt", bekannte vor einigen Jahren der damalige Präsident des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs.

Stadtpräsidentin Corine Mauch bezeichnet den Vorfall als "total daneben"

Der Vorfall beim "Ball beim Böögg" rückt die Vereine nun einmal mehr in ein schwieriges Licht. Bislang galten sie vor allem als exklusive, rein männliche Netzwerke. Eine einzige Zunft lässt seit diesem Jahr Frauen zu - allerdings nur auf Probe. Jetzt kommt der Rassismus-Vorwurf hinzu: Geht es bei dem Unter-sich-sein der Zünfter am Ende darum, ohne Hemmungen Ressentiments loszuwerden?

Diesem Eindruck will das Zentralkomitee der Zünfte unbedingt entgegentreten. "Das ZZZ und die Zürcher Zünfte halten fest, dass sie jegliche Form von Rassismus ablehnen", schreibt der Präsident auf eine Anfrage der SZ. Man werde sich zusammen mit den Zunftmeistern aktiv mit der Thematik auseinandersetzen. Der Druck ist jedenfalls groß, auch politisch. Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch bezeichnet den Vorfall als "total daneben" und spricht von "einer primitiven Art, es miteinander lustig zu haben".

Ob der Ball auch rechtlich Konsequenzen haben wird, muss sich zeigen. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (ERK) jedenfalls bezeichnet das Blackfacing auf der Bühne klar als rassistisch - und sieht darin eine mögliche Verletzung der Antirassismusstrafnorm.

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