Prozesse:20-Jähriger gesteht tödliche Schüsse: Streit um Drogen?

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Vor Beginn des Prozesses um tödliche Schüsse in Hamburg-Borgfelde. (Foto: Bernhard Sprengel/dpa)

Zwei langjährige Freunde aus Tunesien treffen sich in Hamburg wieder. Vermutlich wegen eines Streits um Drogen soll einer den anderen erschossen haben. Vor Gericht gesteht ein 20-Jähriger die Tat.

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Hamburg (dpa/lno) - Mit einem Geständnis des Angeklagten hat am Mittwoch in Hamburg der Prozess um tödliche Schüsse auf einen jungen Mann begonnen. Im Zusammenhang mit der Tat vor sechs Monaten im Stadtteil Borgfelde wirft die Staatsanwaltschaft einem 20-Jährigen Totschlag, Bedrohung und Nötigung vor. Er soll am 25. August vergangenen Jahres nach einem Streit mehrere Schüsse auf einen früheren Freund abgefeuert haben. Die Tat ereignete sich am späten Abend auf offener Straße in der Nähe des S- und U-Bahnhofs Berliner Tor.

Der Angeklagte habe eine Waffe, vermutlich einen schwarzen Revolver, aus einer Bauchtasche gezogen und zunächst einmal auf den anderen Mann geschossen. Dieser habe mit den Händen versucht, weitere Schüsse abzuhalten, sagte die Staatsanwältin. Dann habe der Angeklagte gesagt: „Denkst du, wir töten dich nicht?“ - und fünf weitere Schüsse abgegeben. Ein Zeuge habe den Schützen verfolgt und versucht, ihn festzuhalten.

Doch der Angeklagte habe gedroht, auch ihn zu erschießen. Daraufhin wich der Zeuge den Angaben nach zurück und der mutmaßliche Täter flüchtete mit einem Fahrrad. Der von den Schüssen getroffene Mann war wenig später im Krankenhaus gestorben. Vier Tage nach der Tat hatte sich der 20-jährige Tunesier bei der Polizei gestellt.

Angeklagter und Opfer seit Kindheit befreundet

Nach Verlesung der Anklage am Landgericht gestand der Angeklagte die Tat. Mit dem Getöteten sei er schon als Kind in Tunis befreundet gewesen. Ungefähr im Jahr 2022 sei er selbst nach Hamburg gekommen und habe dort wenig später seinen Freund wiedergetroffen. Beide seien in den Drogenhandel verwickelt gewesen. Es habe einen Konflikt gegeben, der ehemalige Freund habe gedroht, ihn zu töten.

An jenem Abend hätten sie sich zufällig getroffen. Der ehemalige Freund sei auf ihn zugekommen. Er sei aggressiv und laut gewesen und habe „Komm her!“ gerufen. Dabei habe er eine Hand hinter den Rücken gehalten, als ob er ein Messer oder eine andere Waffe verberge. Er selbst sei rückwärts gegangen und habe „Geh weg!“ gesagt. Als der frühere Freund dennoch näher kam, habe er den Revolver gezogen und geschossen. „Ich wollte ihn nicht töten“, beteuerte der 20-Jährige in einer Erklärung, die seine Verteidigerin verlas.

Die Staatsanwaltschaft hatte vor Prozessbeginn von sieben Schüssen gesprochen. Eine Sprecherin korrigierte später, das Opfer habe durch sechs Schüsse sieben Verletzungen erlitten.

Beide Männer nutzten falsche Identitäten

Worum es bei dem Konflikt mit dem später Getöteten ging, wollte der Angeklagte nicht sagen. Seine Familie in Tunesien werde bedroht. Seine Mutter lebe allein und sei krank. Den Revolver habe er zu seinem Schutz bei sich getragen. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagte der 20-Jährige nach den Worten einer Dolmetscherin. Die Waffe und sein Handy habe er unmittelbar nach der Tat in die Alster geworfen. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters Georg Halbach wurden bei dem Getöteten 1,1 Kilogramm Marihuana und 6000 Euro mutmaßliches Dealgeld gefunden. Beide Männer nutzten laut Staatsanwaltschaft falsche Identitäten. Der Getötete sei 24 oder 26 Jahre alt gewesen und habe sich in einem Asylverfahren als Syrer ausgegeben.

Angeklagter konsumierte angeblich große Mengen Kokain

Auf Nachfrage eines Drogensachverständigen sagte der Angeklagte, dass er seit zwei Jahren Kokain konsumiere, und zwar acht bis zehn Gramm pro Tag. Am Tattag habe er außerdem mehrmals Marihuana geraucht und fünf Tabletten gegen Angststörungen in hoher Dosierung genommen. Er nehme diese Mittel schon seit Jahren. „Ich fühle mich sehr aktiv und gut dabei“, sagte der 20-Jährige. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) besteht eine typische Dosis Kokain aus 100 bis 200 Milligramm.

Weil der Angeklagte Heranwachsender ist, findet der Prozess vor einer Jugendkammer statt. Sollte er nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, droht ihm eine Strafe von maximal zehn Jahren. Auf den Zuschauerbänken saßen auch zwei Angehörige, darunter der Großvater des Angeklagten.

© dpa-infocom, dpa:240221-99-69229/3

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