Prozesse:Gericht will über Strafmaß im Fall Pistorius entscheiden

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Oscar Pistorius war in Südafrika in zweiter Instanz wegen „Mordes“ an seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilt worden. (Foto: Kim Ludbrook)

Pretoria (dpa) - Sie wolle nicht, dass er sein Leben im Gefängnis verschwendet. Er - das ist der ehemalige Spitzensportler Oscar Pistorius. Sie - das ist das Model Reeva Steenkamp.

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Pretoria (dpa) - Sie wolle nicht, dass er sein Leben im Gefängnis verschwendet. Er - das ist der ehemalige Spitzensportler Oscar Pistorius. Sie - das ist das Model Reeva Steenkamp.

Ihm drohen mindestens 15 Jahre Haft, sie ist tot. Tot, weil er sie am Valentinstag 2013 erschossen hat, mit Schüssen durch die geschlossene Toilettentür. In seinem ersten Fernsehinterview nach ihrem Tod ist sich Pistorius sicher: Ein Leben hinter Gittern hätte Reeva für ihn nicht gewollt. Ob sie das wirklich so sähe? Tote kann man nicht mehr fragen.

Es ist ein Drama, das sich seit über drei Jahren in Südafrika abspielt. Der unterhalb der Knie amputierte Pistorius gewann als Sprinter bei den Paralympics mehrere Goldmedaillen. Pistorius war eine Art Volksheld in seiner Heimat. Seine Freundin Reeva Steenkamp war Juristin und arbeitete als Model. Sie hatte ihre Karriere noch vor sich. Was in der Nacht, in der sie starb passierte, dazu gibt es verschiedene Versionen. Pistorius sagt, er habe sie für einen Einbrecher gehalten. Die Staatsanwaltschaft sagt, Pistorius habe sie im Streit erschossen.

In erster Instanz war Pistorius Ende 2014 wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft empfand das Urteil jedoch als zu milde und legte Berufung ein. Sie erzielte Ende 2015 in zweiter Instanz eine Verurteilung wegen „Mordes“, was im deutschen Rechtssystem dem Totschlag entspricht.

Heute will das Gericht nun entscheiden, wie lange der ehemalige Spitzensportler hinter Gitter muss. Der voraussichtlich letzte Akt in einem anscheinend nicht enden wollenden Drama. Denn Pistorius könne zwar einen Berufungsantrag gegen das Strafmaß stellen. Der sei aber eher aussichtslos, wenn die Strafe nicht weitgehend von der Norm abweiche, schätzt der südafrikanische Strafrechtler Llewellyn Curlewis.

Bei der Verhandlung über das Strafmaß gaben Verteidigung und Anklage noch einmal alles. Showdown im Gerichtssaal. Der Vater von Reeva Steenkamp erzählte unter Tränen, dass er sich mit Insulinspritzen verletzt hätte, um den Schmerz seiner Tochter in ihren letzten Minuten nachzufühlen. Barry Steenkamp zitterte, oft brach seine Stimme einfach weg. „Was sie in diesen letzten Sekunden durchlebt haben muss, in diesen wenigen Sekunden - sie muss so viele Schmerzen und Angst gehabt haben.“ Da saß ein gebrochener Mann im Zeugenstand.

Pistorius Verteidiger Barry Roux setzte auf Mitleid. Er forderte seinen Mandanten auf, die Beinprothesen abzulegen - um seine Verletzlichkeit zu zeigen. Pistorius lief mit hochrotem Kopf auf seinen Beinstumpfen durch den Gerichtssaal. Schweißtropfen im Gesicht - Tränen. Aus Angst um sein Leben und um Reeva zu schützen, habe er geschossen.

Staatsanwalt Gerry Nel beantragte daraufhin die Veröffentlichung der Tatortfotos. Einige Medien zeigten am folgenden Tag schreckliche Bilder. Reeva Steenkamps Gesicht, blutüberströmt, ein blaues Auge. Es sieht aus, als wäre die junge Frau einen schrecklichen Tod gestorben.

Der gesamte Prozess wurde in Südafrika live im Fernsehen übertragen - so etwas gab es dort vorher noch nie. Auch um zu zeigen, dass ein reicher Weißer nicht besser behandelt wird als ein armer Schwarzer. In einem Land, in dem das brutale Apartheidregime jahrelang die schwarze Mehrheit unterdrückt hat, eine wichtige Sache. Der südafrikanische Anwalt Keith Gess glaubt: Der Prozess habe gezeigt, dass das Rechtssystem funktioniere und habe das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz gestärkt.

Die fünf Jahre, zu denen Pistorius in erster Instanz verurteilt wurde, sind nach einem Jahr wegen guter Führung in Hausarrest umgewandelt worden - Hausarrest in der luxuriösen Villa seines Onkels in Pretoria. Nun könnte sich das Blatt noch einmal wenden. Staatsanwalt Nel fordert mindestens 15 Jahre Gefängnis.

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