Prozess um Tod von Schönheitschirurg Franz Gsell:So war's. Nicht.

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Tatjana Gsell, 43, lebt heute in London und gibt ihren Beruf mit "Model und Moderatorin" an. (Foto: dpa)

Tatjana Gsell erzählte vor Gericht von ihren Männerbeziehungen, ihrer Schwangerschaft, von Erpressung und Versicherungsbetrug. Nun hat sie all ihre früheren Aussagen widerrufen.

Von Katja Auer, Nürnberg

Der Auftritt hat so gar nichts glamouröses, auch wenn Tatjana Gsell auf sehr hohen und sehr spitzen Absätzen und mit einer sehr großen Sonnenbrille erscheint. Flankiert von Kameras und Fotografen, immerhin.

Die 43-Jährige, die in London lebt und ihren Beruf mit "Model und Moderatorin" angibt, soll als Zeugin aussagen vor dem Landgericht Nürnberg, das gerade den Fall um den Tod ihres Mannes, des Schönheitschirurgen Franz Gsell, neu aufrollt. Der 76-jährige Promi-Arzt war vor elf Jahren in seiner Villa in Nürnberg überfallen und so schwer verletzt worden, dass er später an den Folgen starb.

Beinahe täglich neue Widersprüche

Die Ermittler vermuteten damals einen Zusammenhang mit einer Autoschieberei, in die Gsell und seine Ehefrau sowie deren Jugendfreund verwickelt gewesen sein sollen. Sie wurden auch verurteilt, doch nun, Jahre später, stellt sich das als wohl falsch heraus. Der Arzt könnte das Zufallsopfer der jetzt angeklagten Männer gewesen sein.

Vor Gericht tun sich unterdessen beinahe täglich neue Widersprüche auf. Kürzlich hat einer der damals verurteilten Autoschieber sein Geständnis widerrufen. Auch Tatjana Gsell sagt am Mittwoch, dass es nie eine Autoschieberei mit ihrem Mercedes gegeben habe. Die Idee schon, auch den Kontakt zu einem potenziellen Schieber, aber sowohl ihr Mann als auch ihr Jugendfreund, ein ehemaliger Staatsanwalt, hätten ihr davon abgeraten. Das ist neu.

Erzählungen wie aus einer Seifenoper

Der Richter braucht viel Geduld an diesem Tag. Denn damals, das wird schnell klar, scheint die Witwe eine Menge Unsinn erzählt zu haben. Das Drehbuch einer wahren Seifenoper breitete Tatjana Gsell da aus. Ihre Ehe mit dem viel älteren Arzt, der für sie "Vater, Freund und Ehemann" gewesen sei.

Ihr Verhältnis zum Jugendfreund, der sie immer noch vergöttert habe und den sie dann zum Versicherungsbetrug überredet habe. Ihre Beziehung zu dem insolventen Autohändler, mit dem sie auf Kosten ihres Mannes in Marbella lebte. Der habe sie erpresst, sagte sie damals, er habe gedroht, ihr das Gesicht zu zerschneiden. Schwanger sei sie gewesen und habe das Kind bei einem Autounfall verloren.

Jetzt rudert Gsell zurück

Alles gelogen, sagt sie heute. Sie habe längst wieder zu ihrem Mann zurückkehren wollen und sei nur aus Mitleid in Marbella geblieben. Ihr Jugendfreund habe sich nie zum Betrug überreden lassen. Und der Autohändler habe sie weder bedroht noch sei sie schwanger gewesen. Und die Autoschieberei habe es auch nie gegeben. Alles erfunden. Bis ins Detail.

Warum, fragt der Richter. Könne sie auch nicht mehr sagen, sagt Frau Gsell. Überhaupt kann sie sich an vieles nicht erinnern. Sie sei in der U-Haft unter Druck gesetzt worden. Ihr Anwalt habe zu einem Deal geraten. Der Richter schnauft schwer. "Dann war das alles - auf gut Deutsch - ein Film, den Sie da erzählt haben." Der Prozess wird im November fortgesetzt.

© SZ vom 23.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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