Prozess in Bochum:Die Influencerin, die Lippen aufspritzte

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Die 26-jährige Angeklagte im Bochumer Landgericht mit ihrem Anwalt Oliver B. Gaertner. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Nach einer Serie von misslungenen Schönheitsbehandlungen muss sich eine 26-jährige Frau in Bochum vor Gericht verantworten.
  • Die Angeklagte soll Frauen aus ganz Deutschland Lippen und Nasen mit Hyaluronsäure aufgespritzt haben, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.
  • Laut Staatsanwaltschaft hat sich die Angeklagte mit gefälschten Dokumenten als Heilpraktikerin ausgegeben.

Der Prozess vor dem Landgericht in Bochum hatte noch gar nicht begonnen, da liefen der 26-jährigen Angeklagten schon die Tränen übers Gesicht. Jahrelang war sie in der Instagram-Beauty-Szene eine Größe, spritzte Frauen und Männern Lippen und Nasen auf. Seit Dienstag wird gegen die Frau verhandelt und sie muss möglicherweise mit einer langen Gefängnisstrafe rechnen.

Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz. Etwa 3000 Mal soll die 26-Jährige insgesamt zur Spritze gegriffen haben - 34 Fälle stehen nun in der Anklageschrift. Die Staatsanwaltschaft beziffert die illegalen und nicht versteuerten Einnahmen auf knapp 1,3 Millionen Euro.

Fünf Jahre Haft will die Staatsanwaltschaft beantragen. Das wurde nach einer internen Zwischenberatung hinter verschlossenen Türen von Seiten der Richter bekanntgegeben. Die Angeklagte selbst hat sich am ersten Verhandlungstag noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Mehr als vier Jahre lang soll sich die 26-jährige Deutsche mit gefälschten Dokumenten als Heilpraktikerin ausgegeben und Hyaluronsäure in Lippen und andere Gesichtsbereiche gespritzt haben - zum Teil zogen die Eingriffe für die betroffenen Patienten erhebliche Komplikationen nach sich.

"Ich glaube, dass die Angeklagte in einer Parallelwelt gelebt hat"

In der Anklage sind die Probleme aufgelistet: Lippen, die sich plötzlich schwarz färbten oder komplett durchstochen waren, Schwellungen und Infektionen. Eine der Patientinnen soll nach der Behandlung starke Beschwerden beim Essen gehabt haben, bei einer anderen hätten anschließend Narben operativ entfernt werden müssen. Für die Schönheitsbehandlungen hatte die Angeklagte über ihren Instagram-Account geworben.

Die Eingriffe fanden entweder in Bochumer Privatwohnungen oder in einem Hotel in Frankfurt statt. Um das Geld soll es der Angeklagten nach Angaben von Verteidiger Oliver B. Gaertner aber gar nicht in erster Linie gegangen sein. "Ich glaube, dass die Angeklagte in einer Parallelwelt gelebt hat", sagte er vor Prozessbeginn. "Auf einmal wurde sie bei Instagram gehypt, wurde zu einer berühmten Person, zu einer Influencerin." Das sei dann zu einem Selbstläufer geworden. "Sie hat nicht viel nachgedacht", so Gaertner. "Inzwischen weiß sie aber sehr wohl, dass sie viele Fehler gemacht hat."

Die Angeklagte war im April 2019 festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Das sei laut Verteidiger ein echter Schock gewesen. "Ihr geht es sehr schlecht. Das ist ja nicht gerade der Wellnessbereich, in dem sie sich nun aufhält." Ähnliche Vorwürfe werden übrigens auch einer Cousine der Angeklagten gemacht. Ihr Prozess beginnt am Freitag - ebenfalls am Bochumer Landgericht.

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