Prozess:Frau verklagt Chirurgen nach Brust-OP ohne Approbation

  • Ein Mann soll eine Frau am Busen operiert haben, als er bereits keine Approbation mehr hatte.
  • Seine ehemalige Patientin und weitere Frauen klagen nun gegen den Schönheitschirurgen.
  • Der Angeklagte selbst sieht sich als Opfer eines Komplotts.

Von Stephan Handel

Der literarischen Welt hat der Arzt Thomas S. ein Werk namens "Vier Brüste für ein Halleluja" hinterlassen, aber ansonsten hat er schon das Seinige beigetragen zur Verschönerung der Menschheit: Viele Jahre legte er Hand und Skalpell an zumeist Damen, die an ihrem Körper irgendetwas zu groß, zu klein oder sonstwie verbesserungsbedürftig fanden. Seit zwei Jahren aber beschäftigt sich der Schönheitschirurg nicht mehr mit - so der Untertitel seines Buches - den "einschneidenden Erlebnissen" des Berufs. Sondern mit Klagen und Verfahren, die seine Karriere beenden könnten.

2015 entzog die Regierung von Oberbayern dem Arzt die Approbation, weil er Hygienemängel in seiner Praxis in Bogenhausen nicht abgestellt hatte. Dagegen klagte er vor dem Verwaltungsgericht, verlor aber. Ungefähr ebenso lange laufen mehrere Zivilklagen vor dem Landgericht - wie viele es sind, ist unklar: Der Vorsitzende Richter spricht von acht, S. selbst weiß von fünf. Eines davon jedenfalls begann am Mittwoch vor der 9. Kammer, das ist die, die sich mit Arzthaftung beschäftigt.

Noch bevor die Verhandlung anhebt, gibt S. Erklärungen ab, wenn auch vor dem Gerichtssaal: dass nämlich alle Klägerinnen miteinander befreundet seien und den gleichen Beruf ausübten. Der Anwalt der Klägerin sitzt fünf Meter daneben und tut so, als würde er nicht zuhören. Das ändert sich, als S. das Wort "Zuhälter" in den Mund nimmt und damit die, nun ja, Arbeitgeber der Klägerinnen bezeichnet. Wenn er das nicht bleiben lasse, wirft der Anwalt drohend ein, könne ganz schnell eine weitere Klage oder gar eine Strafanzeige hinzukommen.

Auf Nachfrage allerdings fällt ihm dann gerade auch nicht ein, welchen Beruf seine Mandantin, Andrea H., denn ausübt. "Fitnesstrainerin oder so was", sagt er. Wenigstens, dass sie Österreicherin ist und 24 oder 25 Jahre alt, daran kann er sich dann noch erinnern.

An ihr also soll S. gegen Ende des Jahres 2015 drei Eingriffe durchgeführt haben, zwei Mal Brust, einmal Fett absaugen. Bei den Busen-OPs fand die Patientin hinterher offenbar keinen Grund, in Halleluja-Rufe auszubrechen: Eine Entzündung habe sich entwickelt, Schmerzen seien die Folge gewesen. Und sowieso sei S. zum Zeitpunkt der letzten Operation schon nicht mehr im Besitz der Approbation gewesen. Das, findet Andrea H., summiert sich auf eine vom Arzt zu zahlende Summe von 110 000 Euro.

Nicht verwunderlich, dass S. die Angelegenheit ganz anders sieht. Die Patientinnen - also Andrea H. und ihre Freundinnen/Kolleginnen - hätten gewusst, dass er um seine Zulassung kämpfe, sie hätten sich aber trotzdem operieren lassen und ihn dann verklagt. Das betrachte er als eine Art Geschäftsmodell einer "kriminellen Bande" - der gegnerische Anwalt hebt schon wieder die Augenbrauen. Dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei, sagt S., das habe er bislang nicht beweisen können, weil seine Computerkartei vom Staatsanwalt beschlagnahmt gewesen sei - und weil außerdem ein Fremder sich Zugang zum Praxis-Computer verschafft habe und die maßgeblichen Dateien gelöscht habe. Nun aber habe der Staatsanwalt alles freigegeben und eine Spezialfirma sei dabei, die gelöschten Dateien wiederherzustellen. Es sei also, so S. weiter, nur mehr eine Frage der Zeit, bis er alles belegen könne, einschließlich der großen Verschwörung.

Da solle er sich mal nicht verrennen, sagt trocken Peter Lemmers, der Vorsitzende Richter der Kammer, und fragt, wie lange er denn brauche, um die Dateien zu sichten. Vier Wochen, erwidert S. mannhaft. "Dann kümmern Sie sich bitte darum", sagt Lemmers und gewährt die Frist, verbunden mit dem Hinweis, dass es in diesem Verfahren um ärztliche Kunstfehler geht. Und nicht um etwaige Verschwörungen kriminell verbundener Fitnesstrainerinnen.

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