Berlin: Prozess gegen Drogenarzt:Patienten als Versuchskaninchen?

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Ein Arzt servierte in Berlin Patienten tödliche Drogen. Dafür sollte er mehr als vier Jahre ins Gefängnis. Doch das Urteil wurde aufgehoben. Nun wird der Prozess neu aufgerollt.

"Ich bekenne mich schuldig und ich bereue zutiefst meinen Fehler", wandte sich der 52-jährige Mediziner zu Beginn seines Wiederholungsprozesses an Angehörige und Opfer seiner Behandlung.

Vorsatz oder Fahrlässigkeit? Der Berliner Drogenarzt vor dem Berliner Landgericht. (Foto: dapd)

Der Allgemeinmediziner und Psychotherapeut berief sich wie auch im ersten Prozess vor dem Berliner Landgericht auf einen "fatalen Fehler" beim Abwiegen von Ecstasy. "Ich habe keine Gefahr für das Leben der Patienten und keinen Zusammenhang mit den Drogen gesehen", verlas der vierfache Vater seine Erklärung.

Eine andere Strafkammer hatte den Psychotherapeuten im Mai 2010 wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die Richter hatten ein lebenslanges Berufsverbot verfügt.

Auf die Revision des Arztes hin hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufgehoben. Die Bundesrichter vertraten die Auffassung, dass ein Körperverletzungsvorsatz nicht nachvollziehbar dargestellt wurde. Die Patienten hätten die Drogen "eigenhändig und wissentlich zu sich genommen". Der Fall wird daher noch einmal vor einer anderen Strafkammer verhandelt.

Patienten als Versuchskaninchen

Im Mittelpunkt wird jetzt die Frage stehen, ob dem Angeklagten ein Vorsatz nachzuweisen ist oder Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Dann könnte die Strafe milder ausfallen.

Die tragisch Gruppentherapie vom 19. September 2009 hatte bundesweit schockiert. Die Staatsanwaltschaft hatte den Therapeuten im damaligen Plädoyer als "examinierten Dealer" angeprangert, der seine Patienten als Versuchskaninchen benutzt habe. "Ich wollte immer nur helfen, ich bin zutiefst erschüttert und fühle unendliche Trauer", betont der Angeklagte nach wie vor. Im Nachhinein habe er auf schreckliche Weise feststellen müssen, dass er den Umgang mit illegalen Substanzen falsch eingeschätzt habe. Die Behandlung mit bewusstseinserweiternden Mitteln nach der von ihm praktizierten "Psycholytischen Psychotherapie" ist in Deutschland wissenschaftlich nicht anerkannt.

Zwölf Patienten hatten sich in der Praxis im Stadtteil Hermsdorf zu einer "gemeinsamen Reise" getroffen. Er habe die Gruppe über die Substanzen und deren Wirkungen aufgeklärt, betonte der Angeklagte. Die Sitzung geriet schnell außer Kontrolle. Einzelne Patienten gerieten in Panik. Die herbeigerufene Notärztin konnte nicht mehr helfen. Ein 59-jähriger Rentner starb noch in der Praxis. Ein 26-jähriger Student kam in die Klinik. Auch er starb. Nach der Urteilsverkündung kam der Angeklagte aus der Untersuchungshaft frei.

Eigenen Angaben zufolge hatte er sich danach beim Hersteller nach Fehlfunktionen der Waage erkundigt. Auch das habe ihm keine Aufklärung geboten. Weil ihm die Menge des Ecstasys etwas groß erschien, habe er die Waage überprüft und zwei Mal gewogen. Er habe sich schließlich auf die Waage verlassen und eine unterschiedliche Körnung in Betracht gezogen. "Ich weiß nicht, was die Ursache für den falaten Wiegefehler ist", gab sich der Arzt ratlos. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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