75 Jahre Polaroid:Intimes, weiß gerahmt

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So schön retro: Sofortbildkamera aus dem Hause Polaroid. (Foto: Alamy Stock Photos / Brais Seara/mauritius images / Alamy Stock P)

Auf Wunsch seiner kleinen Tochter entwickelte der Amerikaner Edwin Land einst die erste Sofortbildkamera. Für was sie damals stand - und warum sie auch im Selfie-Zeitalter so beliebt ist.

Von Martin Zips

Manchmal steht er einfach über allem, der Name einer Marke oder einer Firma. Wer sagt in Deutschland schon noch Papiertaschentuch, Nuss-Nugat-Creme oder Klebeband? Da benutzt man lieber die jeweils bekannten Markennamen - der Leser weiß schon, welche. Die Sprachwissenschaft spricht hier von Deonymen. Und so verhält es sich auch mit der, freilich schon etwas in die Jahre gekommenen, "Sofortbildkamera". Man kann auch schlicht sagen: Polaroid.

Vor genau 75 Jahren hat ein US-amerikanischer Physiker und Unternehmer namens Edwin Land (1909 - 1991) der Welt erstmals diese Erfindung vorgestellt, die die analoge Fotografie revolutionierte: Mit dem Polaroid-Model 95 war es nicht nur möglich, fotografisch etwas festzuhalten. Das gerade erst geschossene Bild entwickelte sich hier dank einer chemischen Reaktion innerhalb von Sekunden wie von selbst. Edwin Land, der Name seiner Firma leitet sich von den Polarisationsfiltern ab, die er ursprünglich verkaufte, meldete zeit seines Lebens fast so viele Patente an wie Thomas Alva Edison. Mit der Kamera hatte er den von seiner kleinen Tochter bereits 1943 geäußerten Wunsch nach "Sofortbildern" endlich erfüllt.

Da ging noch mehr: Physiker Edwin Land mit Sofortbild in Übergröße. (Foto: Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de/imago images/Everett Collection)

Von 1948 an ging die Verkaufskurve seines Produkts steil nach oben. Anfang der Sechziger wurden in den USA schon doppelt so viele Polaroid-Kameras verkauft wie Kleinbildkameras. Und Instant-Farbbilder waren anfangs sogar günstiger als die aus dem Fixierbad. Aber Land wollte noch mehr. Mitten in der Nacht rief er seine Techniker und gab ihnen zum Beispiel den Bau einer Riesen-Polaroid in Auftrag, mit der er Ölgemälde ablichten konnte.

Da war also erstens diese Unmittelbarkeit. Die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen ein Foto sofort nach der Aufnahme zu betrachten. Und zweitens war da: die Intimität. Egal, was man auch fotografierte, man musste nicht befürchten, dass das hier Anvertraute von Labor-Mitarbeitern, Fotoladen-Angestellten oder Sittenwärtern beäugt wurde. Jetzt war alles möglich! Nicht nur Privatpersonen, auch Geheimdienste, Terroristen, die Polizei und Künstler wie Andy Warhol, Helmut Newton, David Hockney, Robert Mapplethorpe und Wim Wenders nutzten sie.

Überraschende Ergebnisse nach Überschreitung des Haltbarkeitsdatums

Besonders erfolgreich wurde das ab 1972 angebotene faltbare Polaroid-Modell SX-70. Hatte man hier die neue Filmkassette eingeführt und den roten Auslöseknopf gedrückt, so spuckte die Kamera erst den Kassettendeckel und danach mal mehr, mal weniger Sofortbilder aus. Jedes Bild war bereits eine künstlerische Deutung der Realität. Auch der Zufall spielte eine Rolle: Je nach Raumtemperatur hatten die durch den chemischen Prozess vom Negativ zum Positiv mutierten Fotos entweder einen eher roten oder einen eher blauen Farbstich. Noch überraschender waren die Ergebnisse, wenn das Haltbarkeitsdatum der Filmkassette schon seit längerer Zeit überschritten war. Jedenfalls ließ es sich hier noch einmal spüren, dieses Urgefühl der Fotografie: Jeder konnte Künstler sein und per Knopfdruck ein (bereits weiß eingerahmtes) Unikat schaffen.

Und so wurde die Polaroid-Kamera irgendwann sogar zum ersten Logo der App "Instagram", die ja schon im Namen auf Instant-Fotografie anspielt. Trotz finanzieller Pleiten: Polaroid und das analoge Sofortbild leben immer noch. Allein 2019 wurden eine halbe Million Sofortbildkameras unterschiedlichster Marken in Deutschland verkauft, so der Photoindustrie-Verband. Vor allem der digitalen Bilderflut überdrüssige Teenager interessieren sich dafür.

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