Pakistan: Überschwemmungen:Ban nimmt Weltgemeinschaft in die Pflicht

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Jahrhundertflut in Pakistan: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verspricht den Betroffenen rasche Unterstützung und Deutschland stockt die finanziellen Hilfen auf.

Bei einem Besuch in Pakistan hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Betroffenen der Jahrhundertflut weitere Unterstützung der internationalen Gemeinschaft versprochen. "Ich bin hier, um die Weltgemeinschaft dazu zu drängen, die Hilfe für das pakistanische Volk zu verstärken", sagte Ban nach seiner Ankunft in der Hauptstadt Islamabad. Die Vereinten Nationen unternähmen alles, um die notwendige Unterstützung zu mobilisieren.

Ban Ki Moon ist in Pakistan eingetroffen, um sich ein Bild von der Lage in dem Katastrophengebiet zu machen. (Foto: AP)

Ban will sich in den Überschwemmungsgebieten des südasiatischen Landes erstmals selbst ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe machen. "Ich werde die Möglichkeit haben, mit Betroffenen über deren Notlage zu sprechen", sagte Ban. Zudem sind Treffen mit Regierungsvertretern und UN-Mitarbeitern geplant. Vor seiner Abreise am Sonntagabend wollte Ban gemeinsam mit dem pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari am Flughafen in Islamabad vor die Presse treten.

Unterdessen hat die Bundesregierung ihre humanitäre Nothilfe für die Opfer der Flutkatastrophe aufgestockt. Wie das Auswärtige Amt an Samstagabend in Berlin mitteilte, wird die Summe von derzeit 10 auf 15 Millionen Euro erhöht. Die zusätzlichen fünf Millionen Euro bringen je zur Hälfte das Auswärtige Amt und das Entwicklungshilfeministerium auf. "Die bereitgestellten Mittel werden insbesondere für medizinische Versorgung, Nahrungsmittel und Zugang zu Trinkwasser verwendet", erklärte das Auswärtige Amt.

Auch Unicef weitete seine Hilfe aus. Das Kinderhilfswerk hat nach eigenen Angaben weitere 100 Tonnen Medikamente, Hygieneartikel und Zusatznahrung für Kinder in das Land geflogen. Wie Unicef Deutschland am Sonntag mitteilte, sollen in der Region Punjab in den kommenden Tagen flächendeckend vor allem Kinder gegen Masern und Polio sowie schwangere Frauen gegen Tetanus geimpft werden. Weiterhin habe die Organisation Medikamente gegen Durchfallerkrankungen für mehrere Millionen Flutopfer im Süden des Landes bereitgestellt und versorge derzeit mehr als eine Million Menschen mit Trinkwasser. Zusätzliche Hilfsflüge sollen in den nächsten Tagen starten.

Kinder in Flutgebieten verhungert

In den Überschwemmungsgebieten im Nordwesten Pakistans sind nach einem Medienbericht vom Sonntag erstmals fünf Kinder an Unterernährung gestorben. Wie der Sender Dawn TV unter Berufung auf einen Regionalpolitiker berichtete, sind die Todesfälle im Distrikt Kohistan eine Folge der schlechten Versorgungslage. Hilfskonvois könnten nicht zu den Betroffenen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa vordringen, da die Wassermassen in der Gebirgsregion Brücken und Straßen zerstört hätten, hieß es. "Die Regierung hat bei der Koordinierung der Hilfsmaßnahmen total versagt", beklagte der Abgeordnete Abdul Sattar Khan.

Gleichzeitig warnte er davor, dass die Zahl der Hungertoten weiter ansteigen könnte, sollten wichtigen Verbindungsstraßen nicht schnell wieder für den Verkehr geöffnet werden. Teile des Distrikts am Oberlauf des Flusses Indus waren vor knapp zwei Wochen vom Hochwasser überspült worden.

Nach Angaben der Regierung in Islamabad kamen bislang knapp 1400 Menschen bei den Überschwemmungen ums Leben. Insgesamt haben die verheerenden Überschwemmungen viel mehr Menschen ins Elend gestürzt als zunächst angenommen. Premierminister Yousuf Raza Gilani hatte am Samstag gesagt, 20 Millionen Menschen seien durch das Hochwasser obdachlos geworden. Das ist etwa jeder achte Einwohner des Landes. Die UN waren zuvor von 14 Millionen Betroffenen ausgegangen, von denen sechs Millionen dringend Hilfe benötigten.

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"Sintflutartige Regenfälle und verheerende Überschwemmungen haben 20 Millionen Menschen obdachlos gemacht", sagte Gilani in einer Fernsehansprache zum Unabhängigkeitstag am Samstag. Das Hochwasser habe Ernten und Lebensmittel im Wert von mehreren Milliarden Dollar vernichtet. Brücken und Straßen seien fortgespült worden. Zudem hätten die Wassermassen die Infrastruktur für Kommunikation und Energieversorgung beschädigt. 730.000 Häuser seien durch das Hochwasser zerstört worden.

Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde (NDMA) wurden 875.562 Häuser beschädigt. NDMA verzeichnete bislang 1392 Tote und 1985 Verletzte. Mehr als 1000 Menschen starben alleine in der nordwestpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Wegen der Flutkatastrophe beging Pakistan den 63. Jahrestag der Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft am Samstag ohne offizielle Feierlichkeiten. Präsident Zardari und das Militär sagten die geplanten Zeremonien ab. Die Armee wollte die Mittel, die für die Feierlichkeiten vorgesehen waren, Opfern der Katastrophe spenden.

Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" sieht derzeit noch keine Anzeichen für eine Cholera-Epidemie in den überfluteten Gebieten. "In Pakistan gibt es immer wieder Fälle von Cholera. Derzeit haben wir aber keine alarmierenden Zahlen", sagte der Präsident der deutschen Sektion der Hilfsorganisation, Tankred Stöbe. Entwarnung könne er aber nicht geben, so Stöbe. "Die Situation ist unsicher, weil wir nicht wissen, wie es weiter geht." Viele Gebiete seien noch gar nicht zugänglich. Die Zeitung Dawn berichtete am Samstag, Plünderer hätten am Vortag in der Provinz Punjab Fahrzeuge angegriffen, die Hilfsgüter in den Katastrophenbezirk Muzaffargarh bringen wollten.

Indien will dem Erzfeind Pakistan helfen

Meteorologen sagten unterdessen vereinzelte, teilweise aber schwere Regenfälle in den kommenden Tagen voraus. Gilani forderte das Ausland erneut zur Hilfe auf. "Es ist eine angemessene Erwartung, dass die Welt uns in Wort und Tat beisteht", sagte der Premierminister. Indien bot dem Erzfeind Pakistan Fluthilfe an und stürzte die Regierung in Islamabad damit in ein Dilemma.

Dawn berichtete unter Berufung auf Regierungsquellen in Islamabad, es werde beraten, ob das Angebot des Nachbarstaats angenommen werde. Die Zeitung berichtete weiter, der indische Außenminister S.M. Krishna habe seinem pakistanischen Amtskollegen Shah Mehmood Qureshi bei einem Telefonat fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) Fluthilfe angeboten. Das sei eine "Geste der Solidarität mit dem pakistanischen Volk in dessen Stunde der Not".

Indien und Pakistan haben seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft 1947 drei Kriege gegeneinander geführt. Anfang 2004 nahmen die beiden südasiatischen Atommächte Friedensgespräche auf, die aber seit der Terrorserie von Mumbai im November 2008 auf Eis liegen. Nach Überzeugung der Regierung in Neu Delhi wurden die Angriffe in Pakistan vorbereitet.

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