"Life Ball" in Wien:Bussi, Bühne, Busenblitzer

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Finale furioso: "Life Ball"-Organisator Gery Keszler (rechts) mit Roncalli-Direktor Bernhard Paul und dessen Tochter Lilly vor dem Eingang. (Foto: Getty Images)

Anfangs war er eine Benefiz-Gala für an Aids erkrankte Menschen, inzwischen ist der Life-Ball ein Aushängeschild für das tolerante und weltoffene Wien. Doch jetzt droht der Veranstaltung das Aus.

Von Peter Münch, Wien

Der Platz vor dem Wiener Rathaus erstrahlt in den Farben des Regenbogens, und als Sponsor wirbt der städtische Energieversorger für die "Power of Love". Die Bühne für die große Party ist längst errichtet, es ist in diesem Jahr ein weit geöffnetes Zirkuszelt aus der Roncalli-Werkstatt. Magisch soll es werden, zauberhaft verspielt und wild natürlich auch, wenn an diesem Samstag wieder der "Life Ball" gefeiert wird in Wien. Es ist ja schließlich das letzte Mal. Wahrscheinlich.

Im reich bestückten Ball-Kalender der österreichischen Hauptstadt nimmt dieses Fest einen besonderen Platz ein - nicht nur, weil es die Faschingssaison in den Sommer hinein verlängert, sondern auch, weil dieser Ball bunter, lauter, schräger ist als jede andere Wiener Festivität.

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Seit 1993 schon wird im pompösen Rathaus-Rahmen dieser Charity-Event für die Aidshilfe veranstaltet. Der Gründer und Veranstalter Gery Keszler hat aus der Benefiz-Gala, die zu Anfang von einem Mitstreiter als "schwuler Aufschrei" bezeichnet worden war, ein Aushängeschild für das tolerante und weltoffene Wien gemacht. Und mehr als nur nebenbei hat er der eigenen Bilanz zufolge noch 30 Millionen Euro für HIV-Hilfsprojekte gesammelt.

Sponsoren sind abgesprungen

Entsprechend groß war der Aufruhr, als Keszler im Mai das Ende des Life Balls verkündete. Als Grund nannte er den Absprung mehrerer Sponsoren. "Aids hat sich von einem Todesurteil zu einer chronischen Krankheit gewandelt", erklärte er. "Durch diesen Erfolg ergibt sich die paradoxe Situation, dass die Zahl der Verbündeten für Aids-Hilfsprojekte international und national abnimmt." Besonders enttäuscht zeigte er sich von der Stadt Wien, die sich offenbar geweigert hatte, den Zuschuss von 900 000 Euro noch einmal kräftig aufzustocken.

Kritisiert worden war allerdings schon länger, dass durch den jährlich üppigeren Glamour und Starkult beim Life Ball das eigentliche Anliegen in den Hintergrund gerückt war. Austrian Airlines, die als Sponsor ebenfalls abgesprungen sind, hatten prominente Gäste aus den USA wie Liza Minnelli, Elton John oder Sharon Stone früher in einem eigenen Partyflieger nach Wien gebracht.

Bei der jährlichen Mode-Show zeigten Größen wie Vivienne Westwood und Jean Paul Gaultier ihre Kreationen. Die VIP-Tribünen wurden immer größer, der Kommerz immer drängender, und die Boulevardblätter hatten fast jedes Jahr irgendein Pseudo-Skandälchen ("Busenblitzer bei Dagmar Koller") zu vermelden.

2016 wurde schon einmal pausiert

Als eine Art Besinnungspause hatte Keszler schon einmal 2016 den Life Ball ausfallen lassen. Nachhaltig aber war die Erholung nicht. Zum Abschied zeigte er sich hin- und hergerissen zwischen Enttäuschung und Stolz. "Wir haben mehr bewegt, als wir je zu hoffen gewagt hätten", bilanzierte er.

Doch als sich dann schon vor dem Fest überall die Katerstimmung breitmachte, griff Wiens Bürgermeister Michael Ludwig noch einmal ein und verkündete, er wolle sich um eine Weiterführung des Life Balls bemühen." Gery Keszler, der sich Berichten zufolge die Rechte am Namen der Veranstaltung bis 2027 gesichert hat, zeigt sich offen "für Gespräche im Herbst". Zunächst einmal aber muss die Abschlussparty gut über die große Bühne auf dem Rathausplatz gehen. "Das wird ein Finale furioso", kündigt er an. "Wir lassen es noch einmal so richtig krachen."

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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