Nordrhein-Westfalen:Haft für Erzieherin wegen Misshandlung autistischer Kinder

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  • In einer Wohngruppe in Hilden bei Düsseldorf haben Betreuer autistische Kinder gequält und erniedrigt.
  • Die Leiterin der Gruppe ist nun zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden.
  • Ihr Ehemann, der ebenfalls dort arbeitete, bekam eine Bewährungsstrafe, ebenso eine weitere Erzieherin.

Die "Teppichrunde" war nur eine der brutalen Maßnahmen, mit denen Erzieher autistische Kinder in Hilden misshandelt haben. "Teppichrunde" klingt nach Sitzkreis, in dem gesungen und gespielt wird. Doch in Wirklichkeit wurden die Kinder dabei von ihren Erziehern vom Stuhl gestoßen. Immer wieder. Stundenlang, bis zur Erschöpfung.

Fast zehn Jahre liegt das Martyrium der damals neun bis 15 Jahre alten Kinder zurück. Systematisch sollen Betreuer die fünf Jugendlichen in Wohngruppen des inzwischen aufgelösten Unternehmens Educon in Hilden bei Düsseldorf gequält und erniedrigt haben. Es dauerte Jahre, bis der Skandal aufflog und schließlich vor Gericht kam.

Das Landgericht Düsseldorf hat die Leiterin der Wohngruppe nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu zwei Jahren und acht Monaten Gefägnis verurteilt. Ihr Ehemann, der ebenfalls in der Einrichtung arbeitete, wurde zu einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Eine weitere Erzieherin erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Gegen zwei weitere Angeklagte war das Verfahren gegen Geldzahlung eingestellt worden.

Die Kinder seien angeschrien, bespuckt, mit kaltem Wasser bespritzt und gequält worden, sagte die Vorsitzende Richterin Karin Michalek bei der Urteilsverkündung. Ihr Schreien, Betteln und Flehen hätten die Angeklagten ignoriert. "Sie hatten an ihrem menschenunwürdigen Verhalten Spaß und genossen es."

Die Angeklagte rechtfertigte sich mit einer umstrittenen Festhaltetherapie

Grundlage der Ermittlungen waren unter anderem zahlreiche Videos, auf denen der Umgang mit den Kindern gefilmt worden sei. Die mehr als 200 Stunden Videomaterial dokumentieren viele der Misshandlungen. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet darüber, dass die Erzieher die Kinder etwa mit Handtüchern drangsaliert hätten, sodass diese in Panik ausgebrochen seien.

Die Hauptangeklagte hatte vor Gericht ihr Vorgehen mit einer unter Experten umstrittenen Festhaltetherapie autistischer Kinder gerechtfertigt. Sie hatte angegeben, mit dem Erfinder der sogenannten "Intra Act"-Therapie in regelmäßigem Kontakt darüber gestanden zu haben. Dieser hatte das aber einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers zufolge im Prozess bestritten: "Ich habe derartige Methoden in meinem ganzen Leben nocht nicht angewendet. Das wäre ein absolutes No-go."

Autismus ist eine Entwicklungsstörung mit vielen Symptomen. Betroffene Kinder vermeiden etwa Körper- oder Blickkontakt. Ihnen fällt es schwer, die Bedeutung von Gesten und Mimik zu verstehen. Manche Autisten besitzen außergewöhnliche Fähigkeiten wie etwa ein besonders gutes Gedächtnis. Autismus gilt als nicht heilbar. Die Betroffenen müssen lernen, mit der Entwicklungsstörung zu leben.

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